12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem
noch vorhanden sei, zog dann eine Palmenfaserschnur aus der Tasche und band den desertierten Lauf behutsam auf dem Orte fest, wo er hingehörte, nämlich an den Schaft. Dann endlich brachte er die restaurierte Waffe mit höchst befriedigter Miene in diejenige Lage, welche mit dem letzten Kommandowort vorgeschrieben war.
„Sessiz, söjle-me-niz – steht still und schwatzt nicht!“
Bei diesem Ruf drückten sie die Lippen mit sichtlicher Kraft und Energie zusammen und ließen durch ein sehr ernsthaftes Augenzwinkern erkennen, daß es ihr unumstößlicher Wille sei, keinen Laut von sich zu geben. Sie merkten, daß sie geholt worden seien, drei Verbrecher zu bewachen, und da galt es also, uns zu imponieren.
Ich mußte mir wirklich Mühe geben, bei diesem sonderbaren Exerzitium ernsthaft zu bleiben, und wie ich deutlich bemerkte, hatte meine heitere Laune zugleich den Erfolg, den Mut meiner beiden Begleiter zu befestigen.
Und wieder öffnete sich die Tür. Der Erwartete trat ein. Er war es.
Ohne uns eines Blickes zu würdigen, ging er zum Teppich, ließ sich an der Seite des Wekil nieder und nahm die Pfeife aus der Hand des Schwarzen, der mit ihm eingetreten war und sie ihm anbrannte. Dann erst erhob er das Auge und musterte uns mit einer Verachtung, die gar nicht größer gedacht werden konnte.
Jetzt nahm der Statthalter das Wort, indem er mich fragte:
„Dieser Mann ist es, den ihr sehen wolltet. Ist er ein Bekannter von dir?“
„Ja.“
„Du hast recht gesprochen; er ist ein Bekannter von dir, das heißt, du kennst ihn. Aber dein Freund ist er nicht.“
„Ich würde mich auch für seine Freundschaft sehr bedanken. Wie nennt er sich?“
„Er heißt Abu en Nassr.“
„Das ist nicht wahr! Sein Name ist Hamd el Amasat.“
„Giaur, wage es nicht, mich der Lüge zu zeihen, sonst erhältst du zwanzig Hiebe mehr! Allerdings heißt mein Freund Hamd el Amasat; aber wisse, du Hund von einem Ungläubigen, als ich noch als Miralai in Stambul stand, wurde ich einst des Nachts von griechischen Banditen angefallen; da kam Hamd el Amasat dazu, sprach mit ihnen und rettete mir das Leben. Seit jener Nacht heißt er Abu en Nassr, der Vater des Sieges, denn niemand kann ihm widerstehen, nicht einmal ein griechischer Bandit.“
Ich konnte mich nicht enthalten, lachend den Kopf zu schütteln, und fragte:
„Du willst in Stambul Miralai, also Oberst gewesen sein? Bei welcher Truppe?“
„Bei der Garde, du Sohn eines Schakals.“
Ich trat einen Schritt näher zu ihm heran und erhob die Rechte.
„Wage es noch einmal, mich zu schimpfen, so gebe ich dir eine Ssille, das heißt eine solche Ohrfeige, daß du morgen deine Nase für ein Minarett ansehen sollst! Du wärst mir der Kerl, ein Oberst gewesen zu sein! So etwas darfst du wohl hier deinen Oasenhelden weismachen, nicht aber mir; verstanden!“
Er erhob sich mit ungewöhnlicher Schnelligkeit. Das war ihm noch nie vorgekommen, das ging über alle seine Begriffe; er starrte mich an, als ob ich ein Gespenst sei, und stotterte dann, ich weiß nicht, ob vor Wut oder vor Verlegenheit:
„Mensch, ich hätte sogar Liwa-Pascha werden können, also Generalmajor, wenn mir die Stelle hier in Kbilli nicht lieber gewesen wäre!“
„Ja, du bist ein wahrer Ausbund von Mut und Tapferkeit. Du hast mit Banditen gekämpft, welche dein Freund mit bloßen Worten besiegte, hörst du es? Er ist also jedenfalls ein sehr guter Bekannter von ihnen gewesen oder gar ein Mitglied ihrer Sippe. Er hat in Algier einen Raubmord begangen; er hat im Wadi Tarfaui einen Mann getötet; er hat auf dem Schott Dscherid meinen Führer, den Vater dieses Jünglings, erschossen, weil er mich verderben wollte; er ist von mir verfolgt worden bis nach Kbilli, und ich finde diesen Menschen wieder als den Freund eines Mannes, der ein Oberst im Dienste des Großherrn gewesen zu sein behauptet. Ich klage ihn des Mordes bei dir an und verlange, daß du ihn gefangen nimmst!“
Jetzt erhob sich auch Abu en Nassr. Er rief:
„Dieser Mensch ist ein Giaur. Er hat Wein getrunken und weiß nicht, was er redet. Er mag seinen Rausch verschlafen und sich dann verantworten.“
Das war mir denn doch zu viel. Im Nu hatte ich ihn gepackt, hob ihm empor und warf ihn zu Boden. Er sprang auf und zog sein Messer.
„Hund, du hast dich an einem Gläubigen vergriffen; du mußt jetzt sterben!“
Mit diesen Worten warf er sich mit aller Gewalt auf mich. Ich aber gab ihm einen so wohlgezielten Faustschlag, daß er niederstürzte
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