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12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

Titel: 12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hep – ütsch – umschließt alle drei!“
    Im Nu hatten sie mich, Halef und Omar umringt. Wir wurden hinaus in den Hof geführt, in dessen Mitte sich ein bankartiger Block befand. Seine Beschaffenheit deutete darauf hin, daß er zur Aufnahme derjenigen bestimmt sei, welche die Bastonade erhalten sollten.
    Weil ich selbst mich ruhig gefügt hatte, waren auch meine beiden Gefährten ohne allen Widerstand gefolgt, aber ich sah es in ihren Augen, daß sie nur auf mein Beispiel warteten, um der Posse ein Ende zu machen.
    Als wir eine Weile vor dem Block gehalten hatten, erschien der Wekil mit Abu en Nassr. Der Schwarze trug den Teppich vor ihnen her, breitete ihn auf dem Boden aus und reichte, als sie sich gesetzt hatten, ihnen Feuer für ihre ausgegangenen Pfeifen. Jetzt deutete der Wekil auf mich.
    „Wermyn ona elli – gebt ihm Fünfzig!“
    Jetzt war es Zeit.
    „Hast du mein Bu-Djeruldu noch in der Tasche?“ fragte ich ihn.
    „Ja.“
    „Gib es mir!“
    „Du wirst es niemals zurückerhalten!“
    „Warum?“
    „Daß sich kein Gläubiger daran verunreinigen kann.“
    „Du willst mich wirklich schlagen lassen?“
    „Ja.“
    „So werde ich dir zeigen, wie es ein Nemsi macht, wenn er gezwungen ist, sich selbst Gerechtigkeit zu verschaffen!“
    Der kleine Hof war an drei Seiten von einer hohen Mauer und an der vierten von dem Gebäude umschlossen; es gab keinen anderen Ausgang als denjenigen, durch welchen wir eingetreten waren. Zuschauer gab es nicht; wir waren also drei gegen dreizehn. Die Waffen hatte man uns gelassen, so erforderte es der ritterliche Brauch der Wüste; der Wekil war völlig unschädlich, ebenso auch seine Soldaten, und nur Abu en Nassr konnte gefährlich werden. Ich mußte ihn vor allen Dingen kampfunfähig machen.
    „Hast du eine Schnur?“ fragte ich Omar leise.
    „Ja; meine Burnusschnur.“
    „Mache sie los!“ Und gegen Halef fügte ich hinzu: „Du springst zum Ausgang und läßt keinen Menschen durch!“
    „Verschaffe sie dir!“ hatte indessen der Wekil geantwortet.
    „Sogleich!“
    Mit diesen Worten sprang ich ganz plötzlich zwischen den Soldaten hindurch und auf Abu en Nassr zu, riß ihm die Arme auf den Rücken und drückte ihm das Knie so fest auf den Nacken, daß er sich in seiner sitzenden Stellung nicht zu rühren vermochte.
    „Binde ihn!“ gebot ich Omar.
    Dieser Befehl war eigentlich überflüssig, denn Omar hatte mich sofort begriffen und war bereits dabei, seine Schnur um die Arme des Armeniers zu schlingen. Ehe nur eine Bewegung gegen uns geschehen konnte, war er gefesselt. Mein plötzlicher Angriff hatte den Wekil und seine Leibwache so perplex gemacht, daß sie mich ganz konsterniert anstaunten. Ich zog jetzt mit der Rechten mein Messer und faßte ihn mit der Linken am Genick. Er streckte vor Entsetzen Arme und Beine von sich, als ob er bereits vollständig tot sei; desto mehr Leben aber kam in die Soldaten.
    „Hatschyn, aramin imdadi – reißt aus, bringt Hilfe!“ brüllte der Onbaschi, der zuerst die Sprache wiedergefunden hatte.
    Sein Säbel wäre ihm hinderlich geworden, er warf ihn weg und rannte dem Ausgang zu; die anderen folgten ihm. Dort aber stand bereits der wackere Halef mit schußfertigem Gewehr.
    „Geri; durar-siz bunda – zurück! Ihr bleibt hier!“ rief er ihnen entgegen.
    Sie stutzten, wandten sich um und sprangen nach allen vier Richtungen auseinander, um Schutz in den Mauerecken zu suchen.
    Auch Omar hatte sein Messer gezogen und stand mit finsterem Blick bereit, es Abu en Nassr in das Herz zu stoßen.
    „Bist du tot?“ fragte ich den Wekil.
    „Nein, aber du wirst mich töten?“
    „Das kommt auf dich an, du Inbegriff aller Gerechtigkeit und Tapferkeit! Aber ich sage dir, daß dein Leben an einem dünnen Haar hängt.“
    „Was verlangst du von mir, Sihdi?“
    Noch ehe ich antwortete, erscholl der angstvolle Ruf einer Weiberstimme. Ich blickte auf und bemerkte eine kleine, dicke, weibliche Gestalt, welche vom Eingang her mit möglichster Anstrengung auf uns zugekugelt kam.
    „Tut – halt!“ rief sie mir kreischend zu. „Öldirme onu; dir benim kodscha – töte ihn nicht; er ist mein Mann!“
    Also diese dicke, runde Madame, welche unter ihrer dichten Kleiderhülle mit wahrhaft schwimmähnlichen Bewegungen auf mich zusteuerte, war die gnädige Frau Statthalterin. Jedenfalls hatte sie von dem mit einem Holzgitter versehenen Frauengemach aus der interessanten Exekution zusehen wollen und zu ihrem Entsetzen bemerken müssen,

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