12 Stephanie Plum: Kalt erwischt (Twelve Sharp)
ihn. »In den Tod springen, das ist eine ziemlich schwerwiegende Entscheidung.«
»Mein Leben kotzt mich an! Meine Frau hat mich verlassen und alles mitgenommen, sogar meine Kleider und meinen Hund. Ich habe meine Stelle verloren, und mir blieb nichts anderes übrig, als in dem Schuhgeschäft anzufangen. Ich habe kein Geld, deswegen wohne ich wieder bei meiner Mutter. Und dann hat man mich noch beim Wichsen im Multiplex erwischt. Schlimmer geht es nicht.«
»Sie sind gesund.«
»Ich glaube, ich kriege gerade eine Erkältung. Mir tut jetzt schon höllisch der Hals weh.«
Wieder klingelte mein Handy.
»Hallo, Pilzköpfchen«, sagte Morelli. »Treibst du dich schon wieder mit einem fremden Mann im Hotel rum?«
Ich sah nach unten, Morelli stand neben Lula.
»Er ist ein Selbstmordkandidat«, sagte ich.
»Ja«, sagte Morelli, »das ist unschwer zu erkennen. Was hat er denn verbrochen?«
»Hat sich beim Wichsen im Multiplex erwischen lassen und will jetzt nicht ins Gefängnis.«
»Dafür kriegt er keine hohe Gefängnisstrafe«, sagte Morelli. »Höchstens ein Wochenende, oder paar Tage Arbeit in einer sozialen Einrichtung. Keine große Sache. Im Multiplex wichst doch jeder.«
Ich gab es an Pickle weiter.
»Es geht mir nicht ums Gefängnis«, sagte Pickle. »Es geht um mich. Ich bin ein Loser.«
Morelli war immer noch am Telefon. »Was ist jetzt?«
»Er ist ein Loser.«
»Da kann man nicht viel machen«, sagte Morelli. »Können wir dir trotzdem irgendwie helfen?«
»Vielleicht brauchen Sie... Vitamine«, sagte ich zu Pickle.
Pickle sah mich hoffnungsvoll an. »Glauben Sie, dass das was nützt?«
»Ja. Wenn Sie von dem Geländer heruntersteigen, könnten wir in die Apotheke gehen und welche kaufen.«
»Sie wollen mich ja nur von hier runterlocken.«
»Klar. Sonst kommt bestimmt die Polizei und verhaftet Sie, weil Sie ein Verrückter sind. Sie müssten mit auf die Polizeiwache und warten, bis Vinnie wieder eine Kaution für Sie hinterlegt.«
»Eine Kaution kann ich mir nicht noch mal leisten. Ich bin ja gerade erst gefeuert worden. Wahrscheinlich bin ich auch den Job im Schuhgeschäft längst los.«
»Langsam nervt es, verdammte Scheiße noch mal.« Ich schielte auf meine Uhr. Ich hatte weder Zeit noch Lust auf dieses Theater. Ich hatte Wichtigeres zu erledigen.
»Ich mache Ihnen ein Angebot. Wie wär‘s? Wir brauchen jemanden für die Ablage im Kautionsbüro. Ich könnte Vinnie dazu überreden, Sie anzustellen, dann könnten Sie die Gebühr abarbeiten.«
»Wirklich? Würden Sie das für mich machen?«
Morelli hatte mitgehört. »Wir haben ihm schon ein paar Tagessätze in einer sozialen Einrichtung und Vitamine versprochen. Jetzt sogar auch einen Job. Was will er denn noch? Fehlt nur noch Gorillasex. Wenn du ihm das auch noch versprichst, werde ich sauer.«
Ich würgte Morelli ab und steckte das Handy zurück in meine Tasche.
»Was den Job betrifft«, sagte Melvin. »Würde es Vinnie denn auch nichts ausmachen, dass ich... dass ich ein Perversling bin?«
Das war wirklich lustig. Als könnte es Vinnie was ausmachen, dass Pickle im Multiplex rumwichste. »Im Gegenteil. Es ist das Einzige, was für Sie spricht.«
»Na gut«, sagte er. »Aber Sie müssen mir helfen, von dem Geländer herunterzusteigen. Ich kann mich vor Angst nicht bewegen.«
Ich packte ihn von hinten am Hemdkragen und riss ihn vom Geländer herunter, so dass wir beide wie ein Knäuel zu Boden fielen. Es gab Beifall und Buhrufe. Wir standen auf, ich legte ihm ein zweites Paar Handschellen an und führte ihn zum Aufzug.
2
Unten im Atrium erwartete mich Morelli. Er trat mit zwei Kollegen in den Aufzug, und wir fuhren abwärts in die Tiefgarage, wo ein Streifenwagen bereitstand. Ich verfrachtete Pickle auf den Rücksitz und versprach, ihn gegen Kaution wieder freizukaufen.
»Und was ist mit den Vitaminen?«, fragte er. »Vergessen Sie nicht, mir die Vitamine zu besorgen!«
»Mach ich.«
Der Streifenwagen fuhr los, und ich wandte mich Morelli zu. Er hatte die Daumen in die Jeanstaschen eingehakt und lachte mich an. Morelli ist eins achtzig groß, und alles an ihm ist glattes, festes Muskelfleisch, ohne Ecken und Kanten. Seine Hautfarbe ist südländisch, sein Haar fast schwarz und im Nacken etwas lockig, und wenn er erregt ist, sind seine braunen Augen wie flüssige Schokolade.
»Ist was?«, fragte ich Morelli.
»Hast du ihm noch mehr versprochen, nachdem du mich abgewürgt hast?«
»Das braucht dich nicht zu
Weitere Kostenlose Bücher