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120, rue de la Gare

120, rue de la Gare

Titel: 120, rue de la Gare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Verdächtig, so könnte man es nennen. Sie redeten über einen oder eine Jo, so richtig hab ich das nicht verstanden. Als ich dazukam, haben sie sich verabschiedet und für denselben Abend an der Porte d’Orléans verabredet. Seitdem hab ich nichts mehr von Gustave gehört. Der Junge ist nicht sehr raffiniert. Hoffentlich ist er nicht in eine dunkle Sache hineingeschlittert.“
    „Können Sie den verdächtigen Kerl beschreiben? In welchem Café haben Sie die beiden gesehen? Und könnten Sie den Mann gegebenenfalls wiedererkennen?“
    Er beantwortete den dritten Teil meiner Frage mit „Ja“, gab mir eine Personenbeschreibung und den Namen des Cafés. Ich versprach ihm, mich darum zu kümmern. Aber sei es nicht besser, die Polizei zu benachrichtigen? Das habe er bereits getan, antwortete Montbrison, aber doppelt genäht halte besser. Außerdem habe er mehr Vertrauen in meine Fähigkeiten als in die der Herren von der Tour Pointue. Ich tat nichts, um diesen schmeichelhaften Vergleich zu widerlegen.
    „Auch wenn wir das Schlimmste annehmen“, sagte ich, „brauchen Sie nicht allzu sehr um Ihren Diener zu trauern. Heute abend gebe ich eine kleine Gesellschaft. Kriegsweihnacht. Es werden ein paar hübsche Mädchen dabeisein, Filmstars von morgen. Kann ich mit Ihnen rechnen, Maître?“
    „Aber selbstverständlich!“ rief er. „Filmstars...!“
    Der rundliche Anwalt lachte zweideutig. Als er schon gegangen war, fiel mir ein, daß er mir außer dem Vornamen seines Butlers keine Angaben über dessen Identität gemacht hatte.
    Ich hängte mich ans Telefon, um noch einige Leute zu meinem sogenannten Weihnachtsessen einzuladen. Dann verließ ich meine Wohnung. Auf der Straße sah ich plötzlich Kommissar Bernier, der sich gerade von einem Schwarzhändler beschwatzen ließ. Im Moment schien sich wirklich halb Lyon in Paris aufzuhalten. Ich legte dem Kommissar meine Hand auf die Schulter. „Könnte ich mal Ihre Papiere sehen?“ fragte ich.
    Wegen seines zweifelhaften Gesprächspartners war die Wirkung umwerfend komisch. Berniers Gesicht wurde dunkelviolett. Doch dann erkannte er mich und beruhigte sich wieder.
    „Sie mit Ihren dummen Witzen“, sagte er lachend. „Wie geht’s? Gewöhnen Sie sich langsam wieder ans Zivilleben?“
    „Hervorragend geht’s mir! Und was treiben Sie hier in Paris?“
    „Ich mache Weihnachtsferien.“
    „Haben Sie heute abend schon was vor? Bei mir zu Hause findet ‘ne kleine Party statt. Beehren Sie mich doch auch mit Ihrem Besuch, aber nicht vor elf.“
    Ich gab ihm meine Adresse.
    „Prima“, sagte er. „Dann können wir endlich ‘n paar Runden pokern.“
    Wir plauderten noch ein wenig an der Theke eines Bistros. Alle Bemühungen, Villebrun zu schnappen, hatten nichts eingebracht. Die Sache mit dem Flic, der morgens um zwei in Jalomes Wohnung Licht gesehen hatte, erwähnte der Kommissar mit keinem Wort. Der Beamte liebte die bequemen Lösungen. Für ihn stand fest: Der Streifenpolizist hatte sich geirrt, Jalome war Colomers Mörder. Ich sah keinen Grund, Berniers heile Welt zu zerstören. Im Moment jedenfalls nicht.
    Wir verabschiedeten uns, und ich fuhr nach Châtillon. Im Hellen wirkte das Haus in der Rue de la Gare nicht freundlicher als nachts. Faroux’ Wachposten fuchtelte wie wild mit den Armen herum, um sich warm zu halten. Er war über meinen Besuch informiert und ließ mich anstandslos überall herumschnüffeln. Von diesem düsteren Ort aus begab ich mich direkt in Dorcières’ Privatklinik. Der Chirurg sah müde und abgespannt aus. Trotzdem klang seine Stimme fest und entschlossen.
    „Sie können machen, was Sie wollen, aber ich werde nicht zum Komplizen eines Mordes! Erzählen Sie von mir aus allen, daß ich sie mit dem Revolver bedroht habe, und ziehen Sie Ihre Schlüsse. Meine Patientin jedenfalls kriegen Sie heute nicht zu Gesicht. Ihr gestriges Verhör hat sie furchtbar geschwächt. Sie braucht noch mehrere Tage absolute Ruhe.“
    „Ist ja schon gut“, lenkte ich ein. „Sie brauchen sich gar nicht so aufzuregen. Ich hoffe, dieses Verbot gilt nicht nur für mich! Inspektor Faroux ist doch ebenfalls aus dem Krankenzimmer verbannt, oder?“
    „Rigoros! Um nichts in der Welt werde ich zulassen, daß das Mädchen... Nein, großer Gott, nein! Ich will sie retten, verstehen Sie? Sie wird durchkommen, das sage ich Ihnen... Sie wird durchkommen...“
    Sein entschlossenes Gesicht wirkte seltsam erregt. Berufsehre hin, Berufsehre her... Es mußte noch einen anderen

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