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120, rue de la Gare

120, rue de la Gare

Titel: 120, rue de la Gare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Vermutungen
    „...die durch Tatsachen erhärtet werden! Hätte der Täter sonst in Châtillon das ganze Haus auf den Kopf gestellt?“
    „Nein, natürlich nicht.“
    „Also, Sie sehen
    „Da Sie schon mal beim Sehen sind, Sie Hellseher... Sagen Sie mir noch schnell: Wie ist Colomer an den verschlüsselten Text gekommen?“
    Faroux wollte sich wohl über mich lustig machen. Ich sah mir den Brief genau an.
    „Was würden Sie sagen, wenn dieser , Geheimtext“ von einer Menge Leute gelesen wurde?“ fragte ich lachend. „Der zweite Umschlag hier ist nämlich wie sein Vorgänger ,unbefugt“ geöffnet worden. Auch wenn man sich beim Zukleben die größte Mühe gegeben hat, sind doch deutliche Spuren der Schnüffelei zu sehen... Verdammter Bob! Ich glaube, in diesem Fall war er der Täter!“
    „Reizende Sitten sind das!“ brummte der Inspektor. „Das hat er nun davon... fremde Privatpost zu öffnen!“
    „Sie sagen es! Aber dem untreuen treuen Freund wird die Verletzung des Briefgeheimnisses auch kein Glück bringen.“
    „Noch läuft er frei rum“, seufzte Faroux. „Und wahrscheinlich mit der Beute...“
    Hubert Dorcières kam herein.
    „Die Operation ist ohne Zwischenfälle verlaufen“, verkündete er. „Das Mädchen wird durchkommen.“
    „Können wir mit dem Verhör beginnen?“ fragte ich.
    „Noch nicht. Normalerweise...“
    „Sie haben einem Flic zur Begrüßung Ihren Revolver unter die Nase gehalten“, sagte ich drohend. „Das können wir nur in der Gesellschaft einer jungen Dame vergessen. Wir sind nämlich leidenschaftliche Verehrer des schwachen Geschlechts...“
    „Wie Sie wollen“, seufzte der Doktor resigniert. „Aber jetzt sofort ist es unmöglich. Gönnen Sie ihr wenigstens ein paar Stunden Ruhe.“
    Ich sah Faroux fragend an.
    „Von mir aus“, brummte der. „Hab sowieso noch was zu erledigen. Wenn ich mal Ihr Telefon benutzen könnte... äh... Doktor?“
    Ich mußte lachen. Der gute Florimond zog sogar den Titel in Zweifel.
    „Selbstverständlich, Inspektor“, beeilte sich Dorcières zu sagen. „Übrigens, hier ist die Kugel, die wir rausgeholt haben.“ Faroux steckte sie ein und ging zum Telefon, wartete aber, bis Dorcières hinausgegangen war. Dann gab er Anweisung, Antoine von seinem Posten abzulösen und das Hotelzimmer von Hélène Parry in der Rue Delambre zu durchsuchen.
    „Ich muß noch mal ins Kommissariat“, sagte er, nachdem er aufgelegt hatte.
    „Warum das denn, verdammt nochmal?“
    „Um mich über diesen Arzt zu informieren! Das hätte noch Zeit, aber wir müssen ja sowieso noch auf unsere Unterhaltung mit Mademoiselle Parry warten.“
    „Soll ich mitkommen?“
    „Nein. Ich will nicht, daß dieser Dorcières unbeaufsichtigt bleibt.“
    „Schön“, willigte ich lachend ein. „Wir können ja von den alten Zeiten im Stalag reden!“
    „Stimmt, Sie waren ja zusammen in Gefangenschaft! Dann viel Spaß!“
    Mit diesen Worten ging der Inspektor hinaus.

    * * *

    Ein paar Minuten später saß ich Hubert Dorcières gegenüber und goß mir gerade die fünfte Tasse Kaffeersatz ein.
    „Also wirklich“, sagte ich, „mein lieber Dorcières, unsere Begegnungen scheinen immer von ganz besonderen Umständen begleitet zu sein. Zuerst die Erpressungssache mit Ihrer Schwester, dann im Stalag, und heute abend bringe ich Ihnen die hübsche Hélène Parry zum Herumschnippeln. Beinahe hätten sie uns umgelegt, Doktor!“
    Dorcières zuckte zusammen.
    „Ich bitte Sie nochmals um Entschuldigung“, sagte er. „Schwamm drüber! Ich habe Inspektor Faroux mein großes Privatflic-Ehrenwort gegeben, daß das Märchen, das Sie uns aufgetischt haben, in Ordnung ist. Reden wir nicht mehr davon Er zog die Stirn in Falten.
    „Mein Märchen?“ fragte er. „Wollen Sie damit sagen „Daß Sie ein verdammter Lügner sind, jawohl! Lassen Sie die Schauspielerei, wir sind unter uns. Sie können frei reden.“
    „Ich habe Ihnen nichts zu sagen“, erwiderte er spitz. „Ihre Phantasie geht mit Ihnen durch.“
    „Wirklich? Eben habe ich den Namen Ihrer neuen Patientin genannt: Hélène Parry, Tochter des berühmten Perlendiebs. Sie haben bestimmt schon von ihm gehört... Jo Tour Eiffel. Wenn ich mich nicht irre, sind Sie bei dem Namen Parry zusammengezuckt.“
    „Sie sind nicht unfehlbar, Monsieur Burma. Auch wenn Sie’s wurmt: Sie haben sich geirrt!“
    „Also gut, reden wir nicht mehr darüber“, sagte ich einlenkend. „Ich hoffe für Sie, daß Ihr Leumund in Ordnung ist.

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