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120 - Sterben in Berlin

120 - Sterben in Berlin

Titel: 120 - Sterben in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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entgegen, schwebte ein Stück über den Fluss und schwang sich auf den einsamen Brückenpfeiler.
    Aruula versuchte sich die unzerstörte Brücke vorzustellen, und jene Motorwagen der Alten, wie sie über sie hinweg und durch den Raubvogel hindurch rollten. Für einen jener winzigen Momente der Klarsicht war der Vogel eine Illusion und die Brücke samt Motorwagen Wirklichkeit. Beides aber glitt vorbei; und wieder waren da nur Mauerreste und Gestrüpp, wieder eingebrochene Dächer und Baumkronen.
    »Nur ganz vereinzelt Wärmequellen da unten«, sagte die Frau vor der Konsole mit den Ortungsgeräten. Sie hieß Sibyl Sidney. Aruula mochte alles an ihr: ihre kleine gedrungene Gestalt, ihre piepsige Stimme, ihre grüne Perücke, das Lachen in ihren roten Augen. Die meisten nannten sie »Billy«, manchmal auch »Major Billy«.
    »Mehr als eine Handvoll Leute hausen hier nicht«, meinte Captain Benjamin Rudolph. »Und die hier leben, müssen sich vor dem wilden Viehzeug verkriechen.« Ben war der Pilot von Ark IX.
    Maddrax nickte stumm. Sein Gesicht war verschrammt, sein rechter Arm bandagiert, und er trug einen Kopfverband. Er sprach nicht mehr viel. Je weiter sie nach Südwesten kamen, desto weniger. Aruula glaubte zu wissen, warum.
    Dafür redete Selina McDuncan umso mehr. Ihre Stimme drang durch das offene Schott aus der Waffenzentrale. Dort, im zweiten Segment des EWATs, berichtete sie Cinderella Loomer, was in den letzten Wochen geschehen war. Nicht alles konnte Aruula verstehen, denn Commander McDuncan sprach leise und schnell. Sie stand noch unter Schock und die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus. Nur manchmal verstummte sie, um Atem zu holen.
    Commander Selina McDuncan war erschöpft. Alle vier waren sie erschöpft – Selina, Andrew, Maddrax, und Aruula selbst auch – erschöpft und ausgepowert von den Strapazen der letzten Wochen.
    Wenn Selina schwieg, fragte Colonel Loomer geduldig nach: Ob sie sicher sei, dass Rulfans Begleiterin eine Daa’murin gewesen war. Wie weit Daa’muren-Einheiten schon nach Westen und Südwesten vorgestoßen waren. Wozu sie ihrer Meinung nach Nuklearwaffen suchten und abtransportierten. Wie die Verhältnisse in Moskau sich entwickelten. Und auf welche Weise genau der EWAT
    Explorer verloren gegangen und Corporal Steve Bolton ums Leben gekommen war.
    Colonel Loomer war die Kommandantin von Ark IX, sie zeichnete Selinas Bericht auf.
    »Schließen Sie bitte das Schott«, sagte Maddrax, ohne jemanden Bestimmten anzuschauen.
    Der Navigator fühlte sich angesprochen, griff hinter sich, legte die Handfläche neben den Schottrahmen und ließ sie dort, bis die Luke sich schloss. Selinas Stimme verstummte.
    »Es hängt Ihnen zum Hals raus, sich das alles noch einmal anhören zu müssen, was?«, sagte der Navigator, ein Lieutenant. Er hieß John Ivenhoe Yoshiro, war ähnlich bullig wie General Charles Draken Yoshiro, sein Vater, aber einen halben Kopf größer. Auch lehnte er es prinzipiell ab eine Perücke zu tragen, wie sein Vater. »Versteh ich gut«, sagte er.
    »Würde mir auch so gehen.« Maddrax antwortete nichts.
    Sie erreichten den Rand der großen Ruinenstadt. Nur noch vereinzelte Mauerreste und Stahlskelette ragten hier und da aus dem satten, schon vom ersten herbstlichen Gelb durchsetzten Grün unter dem EWAT. Der Wald wurde dichter, der Regen ließ nach.
    Eine Stunde später riss der Himmel auf. Sonnenstrahlen flimmerten in der feuchten Luft. Ein Regenbogen stand nordwestlich über dem endlosen Wald. Dunstschwaden erhoben sich aus den Baumwipfeln, deren gelbe Flecken nun wie Gold schimmerten. Aruulas Blick wanderte über die Kontrolldisplays auf der Instrumentenkonsole. Auf einem las sie die Außentemperatur ab: 29,7 Grad Celsius.
    Knapp zehn Stunden zuvor, in der Abenddämmerung des vergangenen Tages, hatte Ark IX Funkkontakt mit ihnen aufgenommen. Da waren Dragurowka Bassutschok und Modestu Hartmann schon seit zwei Tagen über alle Berge gewesen. Als die Sonne unterging, landete der EWAT aus London am Ostufer des Dnjepr und nahm sie an Bord. Sie flogen den Fluss hinunter, sahen sich den zerstörten Staudamm an und suchten die Stelle im Flusswald, wo die Explorer explodiert war. Sie fanden einen schwarzen Krater, sieben Meter tief und hundertdreißig Meter breit. Sie mochten so oft über der Stelle kreisen wie sie wollten – es war und blieb ein schwarzer Krater. Keine Spur mehr von Steve Bolton, nicht die geringste. Er war tot.
    Major Billy hatte sie verarztet. Sie war

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