1206 - Flucht ins Labyrinth
Palast gewesen, weil er sich bedingungslos auf seine dafür verantwortlichen Treumänner hatte verlassen können - bis vor knapp einer Stunde.
Böse Ahnungen erfüllten ihn, als er sich dem Haupteingang zum Waffenarsenal näherte, und seine schlimmsten Befürchtungen erfüllten sich, als er ihn erreichte.
Er war aufgebrochen worden.
Zitternd vor Erregung und unbeschreiblicher Wut betrat er den ersten Raum, in dem normalerweise Energiewaffen aller Art wohlgeordnet in den Regalen lagen und auf den Tag ihres Einsatzes warteten.
Die Regale waren leer, man hatte sie ausgeplündert. Nur noch einige Handstrahler waren übriggeblieben.
Sie hatten eine relativ schwache Leistung und nur geringe Reichweite.
Nogon hastete weiter, aber es war überall so wie im ersten Lager.
Die wichtigsten Waffen waren verschwunden, und das, was man zurückgelassen hatte, würde kaum zur Verteidigung des Palasts reichen, wenn es wirklich zu einem Angriff - durch wen auch immer - kommen sollte.
Nogon raffte in aller Eile die ihm noch am geeignetesten erscheinenden leichten Waffen zusammen und schleppte sie bis zum Treppenansatz. Dort lud er sie ab und verschnaufte. Körperliche Arbeit war nicht gerade seine große Leidenschaft.
Da hörte er ein Geräusch. Es klang wie Schritte.
Er nahm einen der Handstrahler, überzeugte sich von der vollen Ladung, entsicherte ihn und wartete, denn die Schritte näherten sich von einem anderen Teil der unterirdischen Anlage her. Dort, so wußte er, lagerten konservierte Lebensmittel.
Im trüben Licht der künstlichen Beleuchtung erkannte er einen seiner Treumänner, der sich mit einem gefüllten Sack auf den Schultern der Treppe näherte.
Nogon bezähmte die in seinem Zorn aufwallende Absicht, das auf zwei Beinen gehende Wesen ohne Warnung zu töten. Ein Treumann - auch ein ehemaliger -, der ihn beraubte, hatte sein Leben verwirkt So war es schon immer gewesen. Es war Gesetz.
Aber galt das Gesetz jetzt überhaupt noch?
Als der Treumann noch wenige Meter entfernt war, rief Nogon ihn an und befahl ihm, den Sack niederzusetzen. Der Treumann erschrak fast zu Tode und ließ den Sack fallen. Konservendosen und Konzentratpakete rollten über den Boden, bis hin zu Nogon, der sie verächtlich mit den Füßen von sich stieß.
„Du also auch! Wer bist du?"
„Hader, vom Volk der Eriden, Herr."
Der Unglückliche zitterte an alten Gliedern, es war ein Wunder, daß er noch sprechen konnte. Langsam sank er auf die Knie und schien auf sein Ende zu warten.
Aber Nogon hatte es sich anders überlegt. Viel wert war dieser Erider nicht, wenn es darum ging, den Palast gegen Angreifer zu verteidigen, aber als Lastenträger konnte er noch von Nutzen sein.
„Steh auf!" herrschte er ihn an. „Sammle die Lebensmittel ein und lege sie in den Sack zurück. Die Waffen, bis auf eine, lege oben drauf. Und dann geh vor mir her zum Lift" Es dauerte einige Sekunden, bis Hader begriff, daß er nicht getötet werden sollte. Hastig machte er sich daran, sein Diebesgut wieder einzupacken und die Handstrahler obenauf zu legen. Dann packte er sich den Sack auf die Schultern, warf Nogon noch einen demütigen Blick zu und setzte sich in Bewegung.
Nogon folgte ihm mit schußbereiter Waffe.
Auf dem Dach angelangt, überzeugte er sich zuerst davon, daß die sichtbare Umgebung der Festung leer war und sich niemand auf dem Platz oder den einzusehenden Straßen befand. Dann wandte er sich an Hader: „Die anderen Treumänner - wohin sind sie geflüchtet?"
Der Eride machte eine unbestimmbare Geste und setzte den schweren Sack ab.
„Ich weiß es nicht. Sie fürchteten sich vor den Geriokraten, mehr noch als vor den Stahlsöldnern. Sie sind in alle Richtungen davongelaufen."
„Und du? Warum bliebst du?"
Verlegen deutete Hader auf den Sack.
„Ich hatte Angst zu verhungern, wenn ich die Festung verließ."
„Du wirst bald noch mehr Angst haben, dann nämlich, wenn wir angegriffen werden. Ich fühle es, daß sie kommen werden, um mich zu holen. Aber so leicht bekommen sie mich nicht."
„Die Geriokraten...?"
„Vielleicht auch sie, aber in erster Linie die Stahlsöldner."
Abermals erschrak Hader. Im Gegensatz zu den anderen Treumännern schien er die Söldner mehr zu fürchten als die Geriokraten. Er sah hinab auf den prall gefüllten Sack.
Nogon erriet seine Gedanken.
„Du wirst dich wehren, wenn es soweit ist, Hader?"
„Ich werde für dich kämpfen, Herr. Du hast mir das Leben geschenkt, also werde ich für dich kämpfen.
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