1208 - Leichenwelten
wegzuschaffen. Sie wird sie zu uns in den Keller bringen. Fast hättest du es ja geschafft. Selbst ich wäre beinahe auf dich hereingefallen, aber es stellt sich immer erst zum Schluss heraus, wer der Bessere ist. Das bin ich. Großes Pech für dich, Jane.«
»Was wollen Sie, Goya?«, flüsterte Jane.
»Gegenfrage. Was wolltest du?«
Die Antwort würde er ihr bestimmt nicht glauben. Dass alles auf einem Zufall basierte. Hätte sie nicht das Bild der untoten Rhonda gesehen, wäre ihr Besuch hier völlig normal verlaufen.
»Ich höre noch nichts.«
»Sie werden es kaum glauben, aber ich hatte nur vor, mir die Ausstellung anzuschauen. Das ist alles.«
Er amüsierte sich.
»Ja, es fällt mir verdammt schwer, das zu glauben. So hast du dich nicht verhalten. Ich konnte dich beobachten. Gerade das Bild der Rhonda Sanders hast du dir besonders intensiv angeschaut, und da musste ich einfach misstrauisch werden. Zu Recht, wie ich meine. Kanntest du sie?«
»Ja, ich sollte sie suchen. Für ihren Mann. Aber darüber will ich nicht mehr reden.«
»Worüber denn?«
»Über meine Freilassung, zum Beispiel.«
Goya öffnete seinen Mund. Es dauerte etwas, bis er zu lachen begann, und dann verging noch mehr Zeit, bis er das Lachen wieder einstellte.
Jane hatte in der Zwischenzeit die Gelegenheit genutzt und sich bewegt, was auch klappte. Allerdings nur unter Schmerzen, denn die Stiche im Kopf nahmen weiter zu.
»Habe ich Freilassung gehört?«, fragte er und lachte wieder laut auf.
»Ich glaube, ich spinne. Nein, keine Freilassung. Wir werden uns mit dir beschäftigen. Ich werde dich fotografieren, und ich kann dir versprechen, dich zum Prunkstück meiner Sammlung zu machen.«
»Als Tote oder…«
»Das ›oder‹ ist richtig. Als eine lebende Leiche. Ich werde dich mit dem Zauber des Voodoo bekannt machen, und wenn ich dich so weit habe, dann mache ich das Foto. Ich lasse es vergrößern, stelle es aus und weiß genau, dass du auch als andere Person in meiner Nähe bist. So hätte ich hier in London bereits den dritten Zombie geschaffen, und sogar einen besonderen dazu.«
Jane versuchte, ihre Furcht vor der Zukunft zu unterdrücken.
»Sie wissen, wer ich bin, nicht wahr?«
»Mittlerweile schon.«
»Wunderbar. Dann können Sie sich denken, dass man weiß, wo ich bin. Und wenn ich nicht mehr zurückkehre, wird der Verdacht automatisch auf Sie fallen, Goya. Sie haben nicht die geringste Chance, der Polizei zu entwischen.«
»Glauben Sie daran?«
»Ja.«
»Ich nicht, Jane. Du bist nicht so gut. Ich kenne diese Sprüche. Man liest sie immer in den Krimis, und man sieht es auch oft in den entsprechenden Filmen. Was du mir gesagt hast, sind alles nur Sprechblasen. Nicht mehr.«
»Ich lasse es darauf ankommen.«
»Klar, ich auch.« Er wedelte mit der Waffe. »Und jetzt möchte ich sehen, ob du allein aufstehen kannst. Los, komm hoch.«
Er will noch seinen verdammten Spaß mit mir haben, dachte Jane. Er will mich fertig machen und demütigen. Sie merkte, wie Hitze in ihrem Körper hochstieg. Im Kopf verstärkten sich die Schmerzen, aber sie wollte auch nicht klein beigeben.
Jane Collins war es gewohnt zu kämpfen. Sie hatte sich immer in ihrem Leben durchbeißen müssen, und das war ein gutes Training. Auch jetzt profitierte sie davon.
Wo andere aufgaben, holte Jane noch einmal Kraftreserven hervor. Sie hob den Oberkörper an, stützte sich dabei mit dem rechten Ellenbogen ab und hatte den Eindruck, auf einem wogenden Meer zu schaukeln, weil sich der Kellerraum plötzlich zu bewegen schien.
Sie musste warten, bis sie das Gleichgewicht zurückgefunden hatte.
Mit einer müden Bewegung stemmte sich die Detektivin auf die Knie, den Kopf nach vorn gesenkt. Sie schaute wieder auf den Boden, dessen Wellenbewegungen verschwunden waren.
Dann stand sie auf.
Schwankend. Sie ging von einer Seite zur anderen. Sie hörte sich selbst stöhnen und fluchte darüber. Aber es gelang ihr, festen Stand zu bekommen, und die graue Wand an der rechten Seite diente ihr als Stütze.
Aristide Goya beobachtete sie. Wieder zeigten seine Lippen das spöttische Grinsen. Er hatte seinen Spaß und sprach Jane erst an, als sie sich einigermaßen gefangen hatte.
»Ich habe es mir überlegt«, erklärte er. »Oder besser gesagt, mir ist eine gute Idee gekommen.«
»Ach ja? Welche denn?«
»Ich werde dich nackt fotografieren. Ja, ich möchte, dass du dich ausziehst. Kein Totenhemd, einfach nur nackt. Das ist es, was mir den Kick gibt.«
»Sie
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