1210 - Todesgruß aus Aibon
Überraschungen zu erleben.
Zumindest beim Essen mit Selina Green.
Sie war wirklich eine interessante Frau. Ich kannte sie im Mantel, und auch so bekleidet strahlte sie einen gewissen coolen Sex aus. Sie war jemand, der Männer lockte. Allerdings nur bis zu einer bestimmten Grenze, die sie bestimmte. Von da an lag es dann an ihr, ob sie mit den Männern spielte oder nicht.
Ich sah das so. Ich konnte mir gut vorstellen, dass sie mit mir nur ihr Spiel trieb. Dass sie bei unserem Zusammentreffen ein Funke erwischt hatte, konnte ich mir einfach nicht vorstellen.
Möglicherweise war es falsch, so zu denken, aber die Erfa hrung hatte mich gelehrt, sehr misstrauisch zu sein im Leben.
Zerstochene Reifen. Der Angriff des Killer-Zwergs auf mich.
Die Begegnung mit Selina. Das waren drei Eckpunkte, die ein Dreieck bildeten. Nur fehlten mir die Verbindungslinien. Sie musste ich suchen, um die Figur zu vollenden.
Im Haus lief alles normal. Es war Ruhe eingekehrt. Die Bewohner hatten sich auf den Weg zu ihren Arbeitsstellen gemacht, und auch der Himmel präsentierte sich in einer besseren Laune. Die meisten der grauen Wolken waren verschwunden. Ein herrliches Blau hatte sich freie Bahn geschaffen, als wollte der Frühling grüßen.
Ich schloss die Wohnungstür auf, betrat die Räume allerdings noch nicht, sondern blieb auf der Schwelle stehen und schaute in den Flur hinein.
Es war nur eine Ahnung, mehr nicht. Und zugleich eine Vorsichtsmaßnahme. In der letzten Stunde war ich gewarnt worden und durch das reine Misstrauen geprägt. Hier tat sich nichts. Ich wurde nicht erwartet und entdeckte auch keine fremden Spuren.
Trotzdem war das Misstrauen in mir hochgestiegen. Mein Blick glitt nach vorn. Die Tür zum Wohnzimmer stand offen.
Auch dort sah ich keine Bewegung. Ich schloss die Tür hinter mir und durchsuchte rasch alle Räume.
Ich war allein. Es gab überhaupt keinen Grund, so misstrauisch zu sein. Es konnte auch sein, dass mich die Ruhe störte, die mir trügerisch vorkam.
Ich betrat die Küche. Im Kühlschrank stand Mineralwasser.
Zwei große Schlucke taten mir gut. Als ich das Glas mit einer langsamen Bewegung wieder abstellte, dachte ich bereits über den Fortlauf des Tages nach.
Wie sollte ich mich verhalten? Ins Büro fahren? So tun, als wäre nichts gewesen und den verdammten Killer-Gnom, der auch Shao besucht hatte, einfach vergessen?
Da hakte es bei mir. Warum war er in ihre Wohnung eingebrochen? Er hatte sie überrascht, er hätte sie töten können, und genau das hatte er nicht getan.
Nur um sie zu erschrecken, war er bestimmt nicht gekommen.
Es gab einen Plan, eine Absicht, und ich ärgerte mich darüber, dass ich beides nicht herausgefunden hatte.
Man spielte mit uns, und sowohl die Schauspieler als auch der Regisseur hielten sich im Hintergrund auf.
Das Telefon meldete sich. Sein Klingeln zerriss die Stille, ließ mich sogar leicht zusammenzucken, da ich in Gedanken versunken gewesen war.
Sir James wollte mit mir sprechen. Ich hörte ihn schnauben.
Er schien durcheinander zu sein.
»Was machen Sie denn für Sachen, John?«
»Manchmal hat man eben Pech, Sir.«
»Ach. Sie glauben an Pech?«
»Nein. Da steckt Methode dahinter. Jemand hat uns eingekreist. Ich weiß nicht…«
»Bleiben Sie im Haus, John?«
»Das denke ich.«
»Ja, einverstanden. Ich hörte, dass Shao ebenfalls von einem Zwerg angegriffen wurde.«
»So ist es geschehen, Sir. Man hat ihr nichts angetan. Sie wurde nur außer Gefecht gesetzt. Das ist alles. Und genau das beunruhigt mich. Was ist in der Zwischenzeit mit Shao geschehen? Was hat man ihr angetan?«
»Kann sie sich an nichts erinnern?«
»Nein. Sie war weggetreten.«
Sir James schwieg. Er dachte nach, das wusste ich. Auch ihn ärgerte es, dass wir festhingen und von den Aktionen der Anderen abhängig waren. In diesem Spiel waren wir zunächst nur die Randfiguren.
»Wie sieht es mit einem Verdacht bei Ihnen aus, John?«
»Aibon.«
»Ah ja.«
Überzeugt hatte die Antwort nicht geklungen. Deshalb gab ich eine Erklärung. »Sir, ich habe in Aibon bereits die Killer-Gnome kennen gelernt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein anderes Land, eine andere Welt die gleichen Bewo hner besitzt. Es muss mit dem Paradies der Druiden zu tun haben.«
»So offen haben sich deren Bewohner aber selten gezeigt. Abgesehen von den Männern in Grau.«
»Ist mir klar. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, warum mir dieser Todesgruß geschickt worden ist.«
»Sehen Sie
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