1220 - Gefangen im Hexenloch
durch Vorhänge verdeckt wurden. Die Tür war recht schmal und nicht so ohne weiteres zu öffnen.
Für einen Moment flogen seine Gedanken weg, hin zu Dagmar Hansen, seiner Freundin und auch Lebenspartne rin. Er hätte die Frau mit den naturroten Haaren gern mitgenommen.
Aber Dagmar war von einer Sommergrippe umgeworfen worden. Sie hatte hohes Fieber bekommen, fühlte sich wahnsinnig schwach und musste das Bett hüten. Auf sie warten hätte Harry nicht gekonnt. So war er gezwungen, den Job allein durchzuziehen.
So gut es ging, schaute er durch die Fenster.
Er sah in das Innere des Hauses hinein, aber das war auch alles. Große Unterschiede konnte er nicht ausmachen. Es war wohl zu ahnen, dass an den Wänden verschiedene Gegenstände hingen, die wohl Uhren sein mochten, aber so genau erkannte er es auch nicht.
War es wichtig, ins Haus zu gelangen?
Harry konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen. Er überlegte hin und her, wie er sich verhalten sollte. Er hatte keinen zwingenden Grund, die Tür aufzubrechen. Es drohte ihm keine Gefahr von innen. Es war hier alles so verdammt normal.
Und trotzdem verließ ihn das ungute Gefühl nicht. Es hatte sich sogar noch verstärkt.
Harry drehte sich um.
Nichts zu sehen.
Keiner huschte weg. Niemanden hatte er überraschen können, und er ballte für einen Moment die Hände zu Fäusten. Er ärgerte sich. Der Schweiß rann ihm über das Gesicht. Die Luft hatte sich noch stärker mit Feuchtigkeit gefüllt. Das Licht war zwar vorhanden, aber es war gesunken und erreichte den Waldboden kaum noch. Dieses Tal war zu einem verwunschenen geworden.
Auch dünne, nicht sichtbare Spinnweben wischten über die feuchte Gesichtshaut hinweg. Sie blieben kleben, als wollten sie ihn fesseln. Das Bachwasser rauschte durch das Bett, das alte Mühlrad drehte sich knarrend. Die Bäume auf der gegenüberliegenden Seite waren in der Dämmerung wie miteinander verwachsen. Da schienen sich sogar ihre Zweige verknotet zu haben.
Es war alles so fremd für einen Großstadtmenschen wie Harry Stahl. Er gehörte nicht zu den Personen, die die meiste Zeit ihres Lebens in der freien Natur verbrachten. Er musste sich erst an diese wieder gewöhnen.
Hier waren die Helms verschwunden!
Zumindest hier in der Nähe. Nichts, aber auch gar nichts hatte man von ihnen gefunden. Sie waren wie vom Erdboden verschluckt. Der Vater, die Mutter und die beiden Kinder.
Die Beamten, die nachgeforscht hatten, konnten keine Erfolge vorweisen. Wenn sie Einheimische fragten, so ernteten sie nur ein scharfes Lachen und zudem den Hinweis, dass jemand, der hier nicht Acht gab, von den Hexen geholt wurde.
Gefangen im Hexenloch!
Einen besseren Ort konnte sich Harry nicht vorstellen. Aber warum zeigten sich die Hexen nicht, wenn es sie doch gab? Es wäre ideal gewesen, aber nein, sie hielten sich zurück, denn sie bestimmten, wann sie erschienen.
Ob das stimmte, war fraglich. Harry dachte nur über das nach, was man ihm auf die entsprechenden Fragen geantwortet hatte.
Die Menschen hier glaubten tatsächlich an Hexen.
Er war da skeptisch. So lange er sich nicht mit eigenen Augen davon überzeugt hatte, würde er nichts glauben.
Er machte sich auf den Rückweg. Den Beweis hatte er nicht, doch er war einfach davon, überzeugt, dass sich die Hexen hier in der Nähe des Hauses aufhielten, denn in dieser Umgebung gab es die idealen Verstecke.
Er ging den gleichen Weg zurück. Er klemmte sich zwischen Fels und Hauswand ein. Das Rauschen des Baches nahm an Lautstärke ab. Beinahe hätte er sogar das Summen der Mücken gehört.
Aber Mücken lachten nicht!
Augenblicklich blieb er stehen. Auch wenn er sich mit dem rechten Fuß leicht vertreten hatte.
Zwischen Fels und Wand eingeklemmt blieb er, hielt den Atem an und wartete darauf, dass sich das Lachen wiederholte und er den Beweis bekam, sich nicht geirrt zu haben.
Harry konnte sich nicht genau daran erinnern, wie sich das Lachen angehört hatte. Leise, laut? Hässlich oder meckernd?
Er wusste es nicht mehr genau. Er fragte sich auch, ob es überhaupt ein Lachen gewesen war und er es sich nicht eingebildet hatte.
Alles war möglich in dieser Grauzone zwischen Tag und Traum, in der er sich so fremd vorkam.
Harry wartete einige Sekunden ab.
Dann war es wieder da!
Plötzlich und unerwartet. Ein hartes und auch scharfes Geräusch, das an Stahls Nerven zerrte. Es klang nicht lange nach.
Es war eben vorhanden und erwischte ihn wie der Schlag mit einer Peitsche. Harry krümmte sich
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