123 - Schreckens-Party bei Graf Dracula
daß sie frei
waren vom Mal des Vampirs. Jeder betastete den Hals des anderen. Sie waren
beide erleichtert, fielen sich um den Hals und unterrichteten einander, was sie
erlebt und in diese merkwürdige Situation gebracht hatte.
»Wir stecken
mitten in einem Abenteuer, wie wir es uns nicht hätten träumen lassen, als wir
hierherkamen, Schwedenfee«, murmelte Larry. »Nachdem du schon so viele
Schlösser auf dem Weg zu mir geknackt hast, kommt es auf eines auch nicht mehr
an. Ich werde das komische Gefühl nicht los, daß der Mann, der zu Dracula
wurde, irgendwo jenseits dieser Tür sein Versteck hat. Wenn wir nur mehr sehen
könnten, wäre mir wohler.«
Dieser Wunsch
wurde schneller erfüllt als er in diesem Augenblick für möglich gehalten hatte.
Nach dem
gewaltsamen öffnen der Tür traten Larry Brent und Morna Ulbrandson in ein
rundes Verlies, in das sich scharf gewunden eine Treppe nach oben schlängelte.
Plötzlich war
es auch nicht mehr stockfinster.
Dumpfes
Schummerlicht umgab sie als käme von irgendwoher schwache Helligkeit herein.
»Tageslicht?!«
Morna konnte es nicht fassen, als sie sah, daß in den Mauern, hinter denen sie
sich bewegten, Ritze und Löcher waren, durch die beginnendes Tageslicht
sickerte.
Sie befanden
sich in einem baufälligen Turm, in dem die Fenster vermauert waren und zu dem
es keinen Zugang gab - außer durch die geheimen Stollen und Verliese, durch die
Morna Ulbrandson geirrt war.
Die steile,
in schwindelerregende Höhe führende Treppe mündete in eine Kammer. Hier waren
die Wände teilweise aufgebrochen.
Aber das war
nicht das einzige, was Morna und Larry ins Auge fiel.
Vor ihnen
standen in Reih und Glied mehrere Särge. Wie Schränke lehnten sie hochkant vor
der Wand, und die Deckel waren wie Türen.
Morna und
Larry wechselten einen Blick.
»Der Turm der
Vampire«, flüsterte Larry. »In der Nacht können sie ausfliegen - dies im
wahrsten Sinn des Wortes. In Form einer Fledermaus, Dracula hat alle Särge
hochschaffen lassen. Der Turm ist mindestens dreißig Meter hoch und von außen
nicht zu betreten. Die Vollmondnacht, Morna, ist zu Ende! Die Nacht weicht den
zaghaften ersten Lichtstrahlen der Sonne, die sich hinter den Karpaten erhebt.
Warten wir, bis es etwas heller wird. Vielleicht wird sich dann zeigen, daß
deine lange Wanderschaft und meine Gefangenschaft in dem Verlies schließlich
doch zu etwas gut waren. Wir haben Draculas Unterschlupf gefunden.«
Die Sonne
schob sich über den Bergkamm, lange Schatten entstanden. Die Strahlen fielen
durch die kleinen quadratischen Öffnungen, die wie Schießscharten aussahen.
Das rötliche
Licht der Morgensonne spielte auf den rauhen, klobigen Wänden, den Deckeln der
Särge, von denen Morna und Larry dann blitzartig je einen aufrissen.
In dem einen
stand aufrecht eine bildschöne junge Frau, in dem anderen - Brian Mandell, der
jedoch nur noch entfernt an den Mann erinnerte, der am vergangenen Abend zum
Fest des Millionärs auf das Schloß gekommen war.
Brian Mandell
war dem Mann, dessen Blut er gekostet und das sein eigen geworden war, immer
ähnlicher geworden. Die Dunkelheit, in die die beiden Vampire im Innern ihres
Sarges eingehüllt waren, verschwand schlagartig in dem Moment, als die Deckel
aufschwangen. Auf dem Gesicht einer Kalenko- Tochter und von Mandell/Dracula
spielte das rötliche Licht der Sonne.
Dracula riß
die Augen noch weit auf.
Was immer
sich in der Vollmondnacht abgespielt hatte, das Ausschwärmen der Vampire, der
Überfall auf die ahnungslosen Festgäste, die Umwandlung von Menschen in
todbringende Blutsauger, dies alles würde sich hier nie mehr wiederholen.
Dracula
schrie auf, stürzte nach vorn und riß die Arme vor das Gesicht.
Er kam nur
einen einzigen Schritt weit.
Die
natürlichen Gesetze des Lebens und Sterbens kamen wieder ins richtige Lot. Das
Geschöpf der Nacht wollte in die Dunkelheit fliehen, aber das Licht, dem er
sich entziehen wollte, war stärker und schneller. Dracula taumelte. Während er
nach vorn stürzte, brach sein Körper in sich zusammen als würde er, von
Geschwüren übersät, zerfallen. Sein Gesicht nahm das Aussehen einer Mumie an,
seine Haut verdorrte blitzschnell, und zurück blieb ein Häuflein grauen
Staubes, über den der rot-schwarze Umhang zusammenfiel.
Die Vampirin
ereilte das gleiche Schicksal.
Dann kamen
die nächsten an die Reihe.
Die Sonne
brachte es an den Tag, wer Mensch und wer Vampir war. Außer Morna Ulbrandson
und Larry Brent gab es keine
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