1236 - Im Reich der Jaschemen
Metallic-Effekt.
Stirnrunzelnd musterte Atlan die Räume zwischen den Stämmen. Das Wäldchen bedeckte höchstens eine Fläche von fünfzig mal dreißig Metern, und seine Stämme waren durchschnittlich zirka vier Meter voneinander entfernt. Niemand von der Größe Clios konnte bei „Tageslicht" darin verschwinden. Dennoch sah er die Spielzeugmacherin nicht.
„Ortung!" wandte er sich an das Computersystem seines TIRUNS. „Projiziere ein Ortungsbild Clios auf die innere Helmscheibe!"
„Clio befindet sich nicht im Erfassungsbereich der Ortung", gab das Computersystem zurück.
Das müßte sie aber, wäre sie in dem Wäldchen! übermittelte der Logiksektor.
„Sie ist spurlos verschwunden", teilte ihm Lethos über die Helm zu Helm Verbindung mit.
„Nein!" dröhnte Sokrats Stimme auf.
Atlan sah, wie der Haluter ebenfalls in das Wäldchen einflog. Er unterdrückte den Impuls, ihm eine Warnung zuzurufen. Wenn einer von ihnen dort am wenigsten gefährdet war, dann Domo Sokrat.
„Ortungstechnische Verfolgung von Sokrates!" befahl er dem CS.
Es war nur eine zusätzliche Sicherheitsmaßnahme, denn aus der Entfernung von ungefähr hundert Metern konnte er den riesigen Haluter mühelos zwischen den Stämmen umherkurven sehen, auch ohne die Ortung zu bemühen. Aber er rechnete damit, daß auch Sokrat auf unbekannte Art und Weise verschwand - und er wollte nichts unversucht lassen, um herauszubekommen, wohin.
Aber Domo Sokrat verschwand nicht, weder aus der direkten Sicht noch aus der Ortung.
Atlan sah ihn mit beinahe selbstmörderischer Geschwindigkeit zwischen den blutroten Stämmen herumfliegen, auf der gegenüberliegenden Seite das Wäldchen verlassen, aber nach weniger als fünfzig Metern wieder umkehren und abermals um die Stämme herumrasen.
Sekunden später flogen auch Atlan und Lethos in das Wäldchen ein. Sie steuerten auf vier Meter Höhe, um nicht mit dem Haluter zu kollidieren, der dicht über dem Boden herumkurvte. In der gleichen Höhe wie sie hielt sich auch Salik, der seine Durchsuchung des Wäldchens soeben beendete und das Ergebnis mit dem Wort „negativ" über Helmfunk mitteilte.
„Negativ!" echote Sokrat wütend. „Sie ist hier hereingeflogen, also muß sie hier irgendwo stecken! Ich werde sie finden, und wenn ich die ganzen Bäume fällen müßte."
„Das wäre sinnlose Kraftvergeudung", hielt ihm Atlan entgegen.
„Clio ist niemals in dieses Wäldchen geflogen", stellte Lethos-Terakdschan sachlich fest.
„Es war nur eine Projektion."
Atlan blickte den Hathor überrascht an.
Du bist auch nur eine Projektion! fühlte er sich versucht zu sagen. Er widerstand jedoch.
Außerdem war Tengri Lethos-Terakdschan keine gewöhnliche materielle Projektion, wie sie beispielsweise mit Hilfe terranischer Technik erzeugt werden konnte. Er war genauso wirklich, als hätte sein Körper sich niemals aufgelöst und als wäre nicht nur sein Bewußtsein in die Materie des Domes Keschdan auf dem Planeten Khrat eingegangen.
Der Arkonide erkannte, daß sogar er oft nicht daran dachte, daß der ehemalige Hüter des Lichts sich schon immer mit Hilfe der Technik des Sanskari, einer Methode allerhöchster meditativer Konzentration, vorübergehend aus seinem Körper lösen konnte und daß sich in der von porleytischer Supertechnik geschaffenen körperlichen Projektion Tengri Lethos das echte Doppelbewußtsein Lethos-Terakdschans befand und nicht eine Imitation, die permanent vom Dom Kesdschan aus gleich einem ndimensionalen Scheinwerferkegel in die Tiefe gestrahlt wurde.
Lethos lächelte wissend.
Das von einer silberfarbenen Haarmähne eingerahmte ovale Gesicht mit der schmalrückigen, leicht gebogenen Nase, der hohen Stirn, dem beherrscht wirkenden Mund und dem wuchtig vorragenden Kinn ließ Atlan auf atemberaubende Weise immer wieder an den ägyptischen König Amenemhet III. denken - und zugleich an einen stilisierten Horusfalken.
Schon oft hatte er darüber nachgedacht, ob auch die Erde die Wiege des Geschlechts der Hathor gewesen war - lange vor den Zeiten, in denen das heute lebende Menschengeschlecht sich entwickelt hatte und auch lange vor der Zeit der Lemurer und des Tamaniums.
Vieles sprach dafür, aber es mochte auch ganz anders sein. Die smaragdgrüne, von abstrakten goldfarbenen Mustern durchsetzte Haut des Hüters, seine bernsteingelben Augen mit der Iris voller grüner Punkte und Streifen, das alles schien dagegen zu sprechen. Doch wer weiß! Vielleicht hatte die Genchirurgie schon lange vor
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