Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen
|7| SUCHMODUS
Warum kaum jemand den Expresslift im Empire State Building benutzt
I ch halte mich für ziemlich erfolglos. Das soll gar keine Koketterie sein; natürlich weiß ich, dass ich gemessen an allgemeinen Maßstäben durchaus erfolgreich bin, und damit meine ich nicht nur das Materielle, sondern auch Aspekte wie: wunderschöne Dinge erleben, zu den aufregendsten Orten der Welt reisen, spannende Menschen kennen lernen, mit wunderschönen Frauen zusammen gewesen sein.
Eine dieser wunderschönen Frauen in meinem Leben hat einmal zu mir gesagt: »Mein Gott, Hermann, jetzt sei halt endlich zufrieden!«
Und als sie dann in mein unzufriedenes Gesicht geschaut hat, versuchte sie mir zu erklären, wie das geht, das Zufriedensein: »Schau, vergleich dich doch mal mit den Menschen um uns herum. Für die meisten von denen bist du in vielerlei Hinsicht bereits dort, wo sie erst noch hinwollen. Kannst du das nicht sehen? Kannst du dann nicht zufrieden sein mit dir und deinem Leben?«
Nein. Kann ich nicht. Ich sehe das nicht, was die meisten Menschen wollen, sondern schaue nur auf die paar wenigen, die dort sind, wo ich noch hin will. Ich suche Chancen, um das zu schaffen, denn ich will so schnell und so weit wie möglich weg vom Status quo. Und das macht mich zu einem unausstehlichen Menschen. Ich weiß das. Ich kann mich ja oft selbst nicht leiden.
Eine Sache, die ich mir selbst fast nicht verzeihen kann, ist, wie dumm ich manchmal bin. Dann habe ich Sorgen und verschwende meine Kreativität, um mir die schlimmsten Szenarien auszumalen, die mich ereilen könnten, anstatt meine Kreativität einzusetzen, um |8| nützlichere Dinge zu kreieren als schlechte Gefühle. Eine Hauptsorge, die mich dann umtreibt, ist, ich geb’s zu: es nicht zu schaffen.
Ich habe dann auch Angst, dass ich mein Leben bislang vergeigt habe und dass ich mich in meinen Selbsttäuschungsmechanismen bequem eingerichtet habe und der Tod täglich näher kommt, während ich nicht weiß, wie weit er noch entfernt ist. Ich hadere dann bitterlich mit den Problemen, mit denen ich mich herumschlage, anstatt sie als das zu erkennen, was sie sind: Chancen in Verkleidung.
In diesen Momenten weiß ich auch nicht mehr, was ich von Herzen gerne will, ich zweifle, ob meine Entscheidungen falsch gewesen sind, dabei weiß ich doch, dass es eigentlich gar kein Richtig oder Falsch gibt, sondern nur echte Chancen oder scheinbare Chancen. Nur kann ich dann den Unterschied zwischen den beiden Kategorien nicht mehr erkennen, weil meine Visionen verschwommen sind und ich das Zielbild meines Lebenspuzzles nicht mehr sehen kann.
Skeptisch bin ich dann auch noch! Ich begegne den Menschen mit meinem Zweifeln, und damit lernen diese Menschen mehr über mich als ich von ihnen. Sie spüren mein unausgesprochenes Nein zu ihnen, das einzig und allein die Funktion hat, mir selbst zu ersparen, mich zu verändern, dazuzulernen, mich aufzuraffen, etwas Neues zu erkennen. Skeptisch bin ich dann auch mir selbst gegenüber, denn ich misstraue mir, ob ich noch lange genug lebe, um beispielsweise ein guter Redner oder ein ernstzunehmender Autor zu werden. Nicht einmal der Zeit traue ich dann mehr, obwohl ich weiß, wie viel sie bewirken kann. Und ich scheue dann die Investitionen, die nötig sind, um voranzukommen, zweifle, ob es sich lohnen wird, so viel Zeit und Geld in meine Ziele zu stecken. Ob das jemals wieder herausguckt?
Kommt es überhaupt darauf an, was ich einzelner kleiner Trottel im Leben will?
Außerdem komme ich mir dann auf alberne Weise egozentrisch vor und frage mich: Kommt es überhaupt darauf an, was ich einzelner kleiner Trottel im Leben will? Sollte ich nicht viel mehr geben und helfen und mich um andere Menschen |9| sorgen? Bin ich am Ende gar kein sozialer Mensch, sondern ein egoistischer Idiot, das Feindbild der halben Gesellschaft? Dabei weiß ich doch eigentlich genau, wie viel ich gebe und dass ich das nur kann, weil ich zuvor meinen Beitrag zum wirtschaftlichen Wachstum geleistet habe, indem ich selbst wirtschaftlich gewachsen bin. Ich weiß eigentlich, dass nur lebt, was wächst, und habe trotzdem das Gefühl, nicht gründlich genug nachgedacht zu haben bei allem, was ich angefangen habe.
Ja, ich weiß, langes Nachdenken führt nicht zu besseren Ergebnissen, sondern nur zu späteren Ergebnissen, aber in diesen dummen Momenten verliere ich die Sicherheit. Ich halte dann meine Visionen für Luftschlösser, finde die Luft, die ich atme, zu dünn und bin zu
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