1238 - Justines Blutfest
diesen verfluchten Vampirspuk geglaubt und erlebte nun die grausame Wahrheit. Sie wusste auch, dass sie in der Falle saßen, denn diesmal gab es keinen John Sinclair und auch keinen Suko. Nur ein großes Kreuz stand hinter ihr und lehnte am Aufbau der Theke.
Auch sie war nicht in der Lage, ein Wort zu sagen. Beim Erscheinen der Blonden hatte sie das Gefühl gehabt, einen Schlag in den Magen erhalten zu haben. Die Luft war ihr weggeblieben. Sie merkte trotz ihrer Starre den leichten Schwindel und hätte jetzt gern etwas gehabt, das ihr Halt geboten hätte, aber selbst der Handlauf des Tresens war dazu nicht in der Lage.
Amy Carry hatte das Gefühl, innerlich zusammenzubrechen.
Zudem war ihr der Boden unter den Füßen weggezogen worden, und sie schaffte es auch nicht, den Blick von den brennenden und qualmenden Stauden zu nehmen, bei denen die kleinen Flammen mehr und mehr zusammensanken, sodass fast nur noch der Rauch zurückgeblieben war.
Es war nicht zu sehen, ob die blonde Bestie lächelte oder grinste. Wahrscheinlich grinste sie mehr, und dieses Grinsen deutete auch auf den Triumph hin, den sie empfand.
Mit einer lockeren Bewegung ihrer Hände schleuderte sie den Rest der Knollen zu Boden. Sie blieben dort liegen und kokelten allmählich aus. Justine ließ es sich nicht nehmen, auf sie zu treten. Die dabei entstehenden knirschenden und raschelnden Geräusche waren für alle sehr deutlich zu hören.
Justines Lippen bewegten sich. Sie schlossen sich nicht ganz.
Einen Spaltbreit blieben sie offen, damit auch das Geräusch des Lachens aus ihrem Mund strömen konnte. Sie hatte Spaß. Sie lachte, sie freute sich, denn sie wusste, dass niemand stärker war als sie. Aber sie wollte die Sache noch etwas hinziehen, denn ihre Feinde waren noch unten am Hafen beschäftigt. So konnte sie sich die entsprechende Zeit lassen und ging noch einen Schritt in den Raum hinein. Sie setzte ihn sehr lang an und verkürzte damit die Entfernung zwischen sich und den potenziellen Opfern.
Locker winkelte sie die Arme an und stemmte die Hände in die Hüften. Sie wippte auf den Zehenspitzen, schüttelte den Kopf, lachte wieder und klatschte in die Hände. »Ihr habt gedacht, dass es vorbei ist, wie? Genau das habt ihr gedacht. Aber es ist nicht vorbei, es fängt erst an. Es ist perfekt. Wir befinden uns hier auf einer Insel, und keiner von euch kann mir entkommen.«
Der Reihe nach schaute Justine die Menschen an. »Angst«, flüsterte sie, »ich spüre eure Angst vor dem Blutbiss. Aber ich kann euch beruhigen, es tut nicht weh. Nur zwei kleine Stiche in den Hals, die sich anfühlen wie einer. Ich kann euch aber auch die Kehle durchschneiden und das heraussprudelnde Blut in meinen Mund spritzen lassen, das alles ist möglich, das alles kann ich mir überlegen, denn jetzt sind wir unter uns. Niemand wird uns stören.«
Wieder bewegte sie ihren Kopf und suchte den Blickkontakt mit den Menschen. Zuerst sah Rose Carry in ihre Augen. Sie las die Kälte darin. Es gab kein Gefühl, das sie als menschlich ansah. Vielleicht malte sich die Gier in den Pupillen ab, das war auch alles. Und Rose setzte die Gier gleich mit dem Tod. Als sie daran dachte, rann es eisig ihren Rücken hinab. Sie hatte plötzlich Angst vor diesem so anderen Tod. Ihr Herz klopfte heftig, und sie spürte, wie sich ihr Gesicht durch das hoch steigende Blut allmählich rötete.
Das gefiel Justine ausgezeichnet. »Deine Angst ist dir anzusehen, sehr gut sogar. Dein rotes Gesicht. Ich weiß, dass sich hinter deiner Haut das Blut befindet. Es kocht bereits. Es ist heiß, es wartet darauf, von mir getrunken zu werden…«
Der letzte Satz hatte bei Rose Carry eine Sperre gelöst. Zwar bewegte sie sich noch nicht, aber sie sprach. »Nein… nein… nein - nie! Niemals wirst du mein Blut trinken, du verfluchte Bestie. Ich hasse dich. Du bist kein Mensch. Du bist ein Monster, verpackt in einen menschlichen Körper.«
»Mich stört es nicht!«, gab Justine zischelnd zu. »Mich stört es überhaupt nicht.«
»Weg! Weg mit dir!« Rose konnte plötzlich wieder schreien, und sie tat noch etwas anderes. Sie schlug blitzschnell ein Kreuzzeichen, weil sie das schon als Kind immer getan hatte und sich unter diesem Schutz wohlfühlte.
Ein zweites, ein drittes folgte, und in das vierte hinein klang das Lachen der blonden Bestie.
Rose wusste, dass es keinen Sinn mehr hatte, und ihre rechte Hand sank langsam nach unten. Sie begann zu zittern. Dann sah sie, wie Justine den Kopf
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