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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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    Der Mars starb.
    Jahr um Jahr blieben die Sommerregen aus, und die harten
rosafarbenen Himmel waren lediglich mit trockenen Blitzen bestickt.
Jedes Jahr tobten die winterlichen Staubstürme heftiger, und der
Frühling kehrte später als im Jahr davor ein.
    Im zweiten Jahr des Schweigens des Kaisers kam der erste Tag
ruhigen Frühlingswetters erst am sechsundvierzigsten April. Die
etwa tausend Menschen im Danwei von Bitterwasser entdeckten
jäh, daß sie der winterlichen Beengtheit, ihrer
Begeisterung für Kampfgrillen, für heroische Opern und
ihrer zum Spaß oder aus Profit handgefertigten pelzigen
Merkwürdigkeiten müde waren. Trotz einer siebzigprozentigen
Wahrscheinlichkeit für einen späten Staubsturm hatte der
Vertragsagronom-Techniker Wei Lee keine Schwierigkeiten dabei, ein
halbes Dutzend freiwilliger Bürger zu finden, welche die
verstopften Filter der Feldkuppel Nummer Acht säubern
wollten.
    Es war eine schmutzige Arbeit, die volle Gesichtsmasken und
luftundurchlässige Anzüge erforderte. Sich an meterbreiten
Rahmenelementen entlangzudrücken. Hand über Hand Reihen von
Sprossenleitern emporzuklettern, um die Luftschächte zu finden,
mit denen jede hundertste der großen hexagonalen Ziegel der
Feldkuppel bestückt war. Die Mündung des Gebläses
hineinzustecken und in einen ureigensten Sturm roten Staubs
eingehüllt zu werden. Nachdem Wei Lee den letzten Schacht auf
der Spitze der Kuppel gesäubert hatte, blies er seine
Gesichtsplatte sauber, hakte seine Leine in das Gitter des Schachts
und lehnte sich hinaus, um die Aussicht in sich aufzunehmen.
    Der ›King of the Cats‹ in Lees Kopfhörer spielte
irgendwelchen heimeligen Rock’n’Roll; abgesehen davon war
er mehr allein, als er es den ganzen Winter über gewesen war.
Dies war sein erstes Jahr im Danwei von Bitterwasser, sein
zweites als wandernder Agronom-Techniker. Er konnte es bereits kaum
noch erwarten, durch die allmählich leerwerdenden Landschaften
des Mars weiterzuziehen; wenn er könnte, würde er niemals
aufhören zu wandern, bis er seine Eltern gefunden oder zumindest
die Wahrheit hinter den honigsüßen Ausflüchten seines
Urgroßvaters herausgefunden hätte. Das
Bücherei-Programm, das Xiao Bing erstellt hatte, war schon
ziemlich gut, aber es durchsuchte die andere Welt des allgemeinen
Informationsraums, nicht die wirkliche Welt, die Welt rings um ihn
her.
    Die Kuppel schwang sich zu beiden Seiten Lees weg, und ihre
Facetten glitzerten gegen den schockierend rosafarbenen Himmel. Ein
Dutzend identischer Kuppeln stand in einem Gitterwerk aus
Abwasserkanälen und Geleisen. Dahinter waren die
Sauertümpel, grün-braune Flecken, die sich durch die
dünne Decke roten Staubs zeigten, gespalten durch das
zickzackförmige Flußbett. Sie breiteten sich nördlich
in Richtung auf die tiefliegende Ebene des Goldes aus. Staub
verschleierte die Linie zwischen Land und Himmel; die Kerbe des
Großen Tals westlich war kaum sichtbar. Vielleicht würde
er im kommenden Sommer durch das Tal zu den Gepflasterten Bergen und
dem merkwürdigen Ökosystem der Staubseen hinabfahren, sich
von einem Staubsegler mitnehmen lassen und den Tigerberg
besteigen…
    Rufe trieben herauf, nicht lauter als die Musik des Kings. Direkt
unter ihm winkten die anderen Lee mit den Armen zu. Ihre Schatten
bildeten kleine schwarze schrägstehende Striche gegen den roten
Boden. Er seilte sich ab, wobei er sich ein-, zweimal leicht mit dem
Fuß von den Verstrebungen abstieß. Er verfehlte knapp das
Gestell, welches das Wasserrohr in die Kuppel trug, und landete mit
gespreizten Gliedmaßen auf dem Rücken in einer Düne
weichen Sands.
    »Mach rasch, Techniker!« rief einer der Männer, als
sich Lee mühsam erhob. »Lin Yi ertrinkt!«
    Feldkuppel Nummer Acht baute Reis an. Der Kanal, der das
überschüssige Wasser von den überfluteten Feldern
wegführte, war von den winterlichen Staubstürmen
verschluckt worden und bildete ein Sumpfloch aus tiefen Matsch,
bedeckt von einer dünnen trockenen Kruste, auf die Bürger
Lin Yi sich hinausgewagt und durch die er eingebrochen war. Jetzt
strampelte er bis zur Brust in algengefleckter Suppe, während
die anderen lachten und Ratschläge riefen.
    »Hältst du dich für einen Fisch, Lin Yi?«
    »Fische schwimmen im Wasser, nicht im Matsch. Vielleicht ist
er eine Kröte!«
    »Du treibst eine Conchie-Rekapitulation zu weit!«
    »Rekapitulation? Wenn er eine Kröte ist, dann hat er
sich fortentwickelt!«
    Sie warteten

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