1238 - Justines Blutfest
gewesen«, sagte Suko und streckte seinen rechten Arm vor.
»Freust du dich?«
»Sagen wir so, John: Ich ärgere mich zumindest nicht. Und ich habe noch eine Rechnung mit unserer Freundin offen.«
»Denk an ihre Stärke!«
»Das weiß ich, John, aber diesmal bin ich auf der Hut.«
Unser Gespräch versickerte. Wir waren noch angespannter und vorsichtiger. In dieser Umgebung gab es zahlreiche Verstecke. Viel Schatten und wenig Licht. Mauern und Wände, und es kam noch die Ruine hinzu, die ein Stück weiter entfernt stand und ebenfalls als Versteck dienen konnte.
Ich ging zwar auf dem direkten Weg auf das Gasthaus zu, aber ich spürte plötzlich, dass da etwas nicht mehr so war, wie ich es kannte.
Es gab eine Veränderung. Wäre der Nebel nicht gewesen, hätte ich sie sicherlich schon früher bemerkt, so aber fiel sie mir erst auf, als ich noch näher an das Haus herangekommen war und mich über die neue Lichtquelle wunderte.
Sie war zu groß für ein normales Fenster, und so kam nur eine Lösung in Betracht.
Es musste die Tür sein, die offen stand, sodass der Lichtschein von innen nach draußen fallen konnte und die dort wallenden Dunstwolken gelblich verfärbte.
Suko hatte mich erreicht und war neben mir stehen geblieben.
»Stört dich das Licht?«
»Ja, und auch die offene Tür.«
»Es kann normal sein.«
»Glaubst du, dass etwas überhaupt normal sein kann, wenn eine Justine Cavallo in der Nähe ist?«
»Nicht wirklich.«
»Eben.«
»Dann könnte sie bei den Menschen sein.«
Mein Freund hatte genau das ausgesprochen, an das ich ebenfalls dachte. Ich merkte, dass es in mir kribbelte und sich vom Magen her ein leichtes Ziehen ausbreitete. Es war einfach dieses verdammte Gefühl, etwas nicht zu wissen, schon aber zu ahnen.
Ich wollte auch nicht wie ein Berserker auf die Tür zustürmen. Sicherheitshalber zog ich meine Waffe. Das Kreuz steckte schon längst griffbereit in der rechten Jackentasche, und neben mir holte auch Suko die Beretta hervor.
So gewappnet schlichen wir auf die Tür zu, ohne die nahe Umgebung außer Kontrolle zu lassen.
Die Schwaden aus Dunst begleiteten uns auch jetzt und trieben als Geister neben uns her. Vor ihnen brauchten wir uns nicht zu fürchten. Wenn, dann lauerte der wahre Horror hinter den Mauern, und der konnte auf den Namen Justine Cavallo hören oder auf Menschen, die durch ihre Bisse zu Blutsaugern geworden waren.
Suko war etwas zurückgeblieben und deckte mir den Rücken, als ich vor der Tür anhielt. Schon auf den letzten Metern war mir der Geruch aufgefallen, jetzt erlebte ich ihn intensiver und schnüffelte wie ein Parfümier.
Etwas passte nicht…
»Es riecht nach Rauch und nach etwas anderem«, meldete sich Suko hinter mir.
»Aber es hat nicht gebrannt.«
»Du weißt nicht, wie es innen aussieht.«
Das stimmte. Ich konnte es auch nicht gut sehen, denn ich musste erst die Tür weiter öffnen.
Hinter mir hörte ich, dass Suko sich entfernte. Er lief aber nicht weg, sondern schaute durch eines der Fenster. Ich wartete, bis er sich wieder drehte.
Ohne den Nebel hätte ich sein Gesicht schneller gesehen, so dauerte es etwas länger, bis ich den Ausdruck wahrnahm. Mein Freund hatte die Lippen zusammengepresst, und in seinen Augen lag ein sehr starrer Ausdruck.
»Was ist los?«
»Sie war da!«
»Und?«
»Sieh selbst nach«, flüsterte er.
Ich ging schweigend auf die Tür zu. Wenn Suko so reagierte, konnte ich mich auf eine böse Überraschung gefasst machen.
Diesmal zögerte ich nicht länger und zerrte die Tür auf.
Zwei Schritte nach vorn, der erste Blick!
Es gab keinen Menschen in der Gaststube, und doch war das Grauen so präsent, dass über meinen Rücken ein Schauer lief…
***
Ein Stuhl war umgefallen, ein anderer von seinem Platz weg und in den Raum geschoben worden. An dem Tisch, zu dem der umgefallene Stuhl gehörte, sah ich das, was Suko gemeint hatte.
Auf der Platte verteilte sich eine schimmernde Blutlache. Die gehörte bestimmt nicht zu einem Tier, das hier geschlachtet worden war. In diesem Raum hatte das alte Vampirgrauen in Vertretung einer gewissen Justine Cavallo zugeschlagen. Sie musste es geschafft haben, ihren Durst nach Blut zu stillen.
Wir waren zu spät gekommen!
Ich sagte das nicht, aber es schoss mir durch den Kopf. Als Suko neben mir auftauchte, hob er in einer hilflosen Bewegung die Schultern. Diese Geste sagte eigentlich alles.
»Sie hat wieder gewonnen«, flüsterte er dann. »Verflucht noch mal, sie hat es
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