1238 - Justines Blutfest
abhoben.
»Weißt du, was das ist?«
Ich nickte. »Blut.«
»Genau, John. Dann haben sie diesen Weg als Fluchtstrecke genutzt. Die Cavallo und ihre Opfer. Verdammt noch mal, das macht mich fast wahnsinnig!«
Er brauchte nichts mehr hinzuzufügen, denn ich dachte ähnlich. Es war der Wahnsinn, aber es war auch der Wahnsinn, in dem Methode steckte, denn eins wusste ich: Justine Cavallo tat nichts ohne einen Plan. Manchmal sahen ihre Reaktionen sehr spontan aus, aber das täuschte, denn das hatte sie uns schon einige Male bewiesen.
»Die Tür hinter dir war übrigens nicht ganz geschlossen«, sagte Suko und schritt den Flur entlang bis zum anderen Ende, wobei er es vermied, in die kleinen Blutlachen zu treten. Es gab da noch eine zweite Tür, die Suko öffnete. Durch die konnte man auf die Seite des Gasthauses gelangen, aber das interessierte mich im Moment nicht, denn ich sah links von mir und ein Stück nach vorn versetzt ebenfalls einen Zugang.
Suko schaute sich draußen um. Ich öffnete die Tür an der Seite und konnte auch hier das Licht einschalten. Es war der Toilettenraum. Männer und Frauen waren nicht getrennt. Der Bereich der Männer war nur durch eine Trennwand abgeteilt worden. Die Durchsuchung der Toilette hatte ich schnell hinter mich gebracht und auch hier keinen Hinweis auf Justine Cavallo und die verschwundenen Menschen gefunden.
Suko traf ich wieder im Gang. Er zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf.
»Keine Spuren?«, fragte ich.
»Nein. Zumindest habe ich in der Dunkelheit keine gesehen. Da haben wir Pech gehabt.«
»Justine wird ihre Opfer versteckt haben. Sie braucht nicht lange zu warten, dann laufen auf Coomb Island vier Blutsauger mehr herum, und das kann uns nicht gefallen. Wenn sie Durst haben und in die Häuser eindringen, sieht es bald böse aus.«
»Okay, dann werden wir die Häuser der Reihe nach durchsuchen müssen.«
»Es bleibt uns wohl nichts anderes übrig.«
Wir gingen in den Gastraum zurück. Sofort fiel mein Blick wieder auf das Kreuz. Dann aber hörten wir etwas und blieben zugleich stehen. Es war ein Mensch, aus dessen Mund ein Geräusch drang, das für mich eine Mischung aus Stöhnen und Jammern war. Für einen Moment schauten wir uns an, und beide wussten wir Bescheid.
»Hinter der Theke«, sagte ich nur.
Diesmal war Suko sogar schneller als ich. Er beugte sich über die Theke hinweg und flüsterte: »Schau dir das an, John…«
***
Ich sah es, und ich wusste nicht, ob ich mich freuen oder ärgern sollte. Zwischen dem Tresen und der Rückseite lag Amy Carry auf dem Rücken. Sie hielt die Augen noch geschlossen, hatte dafür den Mund geöffnet und wischte mit beiden Handflächen über ihr Gesicht hinweg. Die Bewegungen wurden von dem tiefen Stöhnen begleitet, und ich sah, dass dabei die dünne Haut an ihrem Hals zitterte. Eine Haut, die normal war und keine roten Bissstellen aufwies.
Die Hoffnung, Amy nicht als Blutsaugerin zu erleben, steigerte sich. Ich war Sekunden später hinter der Theke und ging langsam auf die Liegende zu.
Amy musste meine Schritte gehört haben, denn sie ließ die Hände vom Gesicht sinken und wollte sich in die Höhe stemmen, wahrscheinlich um zu sehen, wer sich ihr näherte.
Da kniete ich bereits neben ihr, legte meine Hände um ihre Wangen und flüsterte: »Ganz ruhig, Amy. Nicht bewegen… bitte…«
Sie schluckte. Dann öffnete sich ihr Mund noch weiter, und ich sah, dass ihr keine Zähne gewachsen waren. Sie hatte es also geschafft. Mir fiel ein Stein vom Herzen.
Aber ich spürte etwas anderes. An meinem rechten Mittelfinger klebte etwas Feuchtes. Ich hatte damit eine kleine Kopfwunde berührt, aus der Blut gesickert war.
Sofort zog ich meine Hand zurück. Jetzt sah ich auch, dass sie mich anschaute. Sie hatte Schmerzen. Ihre Lippen zuckten, bevor sie den Mund verzog.
Ich sah, dass sie etwas fragen wollte, und schüttelte den Kopf.
»Bitte, Amy, nicht jetzt. Sie müssen ruhig bleiben. Es wird sich alles klären, glauben Sie mir.«
»Ja…«
Sie schloss wieder die Augen und ich schob behutsam meine Hände unter ihren Körper, nachdem ich ihn ein kleines Stück angehoben hatte.
Amy war nicht sehr schwer, aber schlaff, und es war auch nicht zu einfach für mich, sie anzuheben. Außerdem war es hinter der Theke recht eng. Mit ihr auf den Armen konnte ich mich schlecht drehen, und so ging ich den Weg wieder rückwärts zurück, bis ich das Ende erreichte, wo Suko wartete.
Er half mir, die stöhnende Amy zu einem
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