1254 - Der Satans-Kutscher
Unsicher allerdings war er durch Janes Handlung geworden. Er ließ sie kommen, er sah das verzerrte Gesicht, und konnte seine Frage nicht mehr zurückhalten.
»Wer bist du wirklich?«
Jane lachte nur rau.
»Stehst du auf meiner Seite? Bist du in Wirklichkeit eine von uns?«
»Finde es heraus, Urban!«
»Das werde ich auch. Ich will, dass du mir die entsprechenden Antworten gibst.«
»Du bekommst sie.«
»Wann?«
»Du brauchst nur den zweiten Mord wegzulassen, dann werde ich dir mehr über mich erzählen. Alles andere zählt nicht. Ich schwöre dir, dass du dich wundern wirst.«
Jane hoffte, dass Urban sie ernst nahm und dass sie nicht zu sehr übertrieben hatte. Ihr ging es in erster Linie darum, Tim Allens Leben zu retten. An sich dachte sie dabei nicht so sehr.
Noch zögerte er, und Jane hoffte, keinen Schuss ins Leere getan zu haben.
»Ich bin wertvoller als er«, bot sie sich an. »Wenn es möglich wäre, hättest du den Teufel zu Rate ziehen können, und ich bin überzeugt, dass er mich bestätigt hätte.«
»Du sprichst von ihm, als würdest du ihn kennen.«
»Das kann durchaus sein.«
Mehr sagte Jane nicht. Sie wollte sich noch etwas offen lassen, war aber froh, als sie das Nicken des Satanskutschers sah.
»Du hast mich zwar nicht überzeugt, aber ich werde dir den Gefallen trotzdem tun, Jane Collins. Ich kann mir diesen Wicht noch später holen. Erst mal bist du an der Reihe.«
Jane traute ihm nicht über den Weg. Schon gar nicht, weil er die letzten Worte mit einer so ungewöhnlichen Betonung von sich gegeben hatte. Er bewegte den rechten Arm und zugleich die Hand.
Russell Urban beherrschte die Handhabung der Peitsche meisterlich. Das erfuhr Jane in den nächsten Sekunden. In ihrem Zustand war es ihr nicht möglich, dem schwarzen Riemen auszuweichen.
Für einen Moment tanzte er noch vor ihr in der Luft, sie hörte auch das leise Pfeifen und ebenfalls das Schmatzen, dann packte der verdammte Riemen zu.
In Windeseile wickelte er sich um ihren Hals. Es ging alles so irrsinnig schnell, dass Jane nicht dazu kam, den Kopf auch nur um eine Idee zu drehen. Sie bekam das Klatschen noch mit, und dann wickelte sich der verdammte Riemen um ihren Hals.
Jane röchelte, und sie hatte das Gefühl, ihr Hals wäre in der Mitte geteilt worden. Für einen winzigen Augenblick stand sie noch auf den Beinen, dann genügte ein kleiner Ruck, um sie von den Füßen zu reißen.
Während Jane fiel, sah sie den Himmel über sich tanzen. Sie steckte plötzlich in einem Kreisel und in der Falle, wurde einfach umgerissen, aber landete nicht so hart am Boden, denn der Fall stoppte kurz vor dem Aufschlag. Nur zog sich dabei die Schlinge noch enger um ihren Hals zusammen, sodass sie in Panik geriet, weil sie die Befürchtung hatte, ihr würde das Genick gebrochen.
Es passierte nicht. Sie blieb normal, aber auch gefangen. Sie wurde langsam zu Boden gedrückt, lag auf dem Rücken, hielt Mund und Augen weit offen, ohne etwas sehen zu können, denn die Umgebung verschwamm vor ihren Augen.
Durch eine Drehbewegung in die entgegengesetzte Richtung lockerte der Kutscher die Schlinge, ohne sie von Janes Hals zu lassen. Er gab ihr nur Gelegenheit, wieder nach Luft zu schnappen, was sie voll ausnutzte. Sie saugte in sich hinein, was eben möglich war, und sie merkte, wie es ihren malträtierten Lungen gut tat.
Die Schlinge blieb nach wie vor um Janes Hals gedreht. Sie war eine dunkle Schlange, die eine Pause eingelegt hatte, um sich wieder zusammenziehen zu können, wenn es nötig war.
»Wir werden fahren!«, hörte sie wieder die hohle Stimme der Gestalt. »Wir beide werden uns auf die Reise begeben, und ich bin sicher, dass du mir alles erzählen wirst, wenn du erst das Höllenfeuer siehst, das uns der Teufel schickt.«
Auch in dieser Lage war Jane so etwas wie eine Optimistin. Sie hatte den anderen von sich selbst ablenken können, das war schon ein großer Vorteil, und sie hoffte, dass sie aus dieser verdammten Klemme noch herauskam.
Russell Urban ließ Jane nicht normal zur Kutsche hingehen. Er wollte seinen Triumph haben, und er zog sie hinter sich her wie ein Stück Holz. Wieder drehte sich die Schlinge enger um ihre Kehle. Jetzt konnte Jane nachvollziehen, was Archie Rickman kurz vor seinem Tod erlitten haben musste.
Sie würgte, sie keuchte. Obwohl sie die Augen weiterhin offen hielt, konnte sie kaum etwas erkennen.
Die nahende Bewusstlosigkeit war wie ein drohendes Gespenst, das immer näher an sie heranrückte, um
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