126 - Luziferas Horror-Maske
war bereits von der schwarzen, krumigen Humuserde bedeckt, ebenso Larrys
und Iwans Arme, die Evelyns Handgelenke noch umklammerten. Keiner wollte
loslassen. Aber einer nach dem anderen musste es. Schon versanken auch ihre
Arme bis zu den Schultergelenken im Waldboden.
„Wir müssen sie freischaufeln“, stieß Larry
Brent hervor, als er Evelyn nicht mehr länger halten konnte. „Sie darf nicht
ersticken, nicht sterben ...“ „Wenn ich den Knochenmann zwischen die Finger
kriege, Towarischtsch, zerleg ich ihn in seine Bestandteile. Und dann bin ich
derjenige, der die fahlen Gebeine schwingt.“
Mit bloßen Händen fingen sie an zu graben.
„Ich wollte, ich wäre ein Schäferhund,
Towarischtsch“, meldete der Russe sich wieder, während er die dunkle Erde durch
die gespreizten Beine schaufelte. „Dann könnte ich besser graben.“
„Hätten wir eher gewusst, was sich hier
abspielen würde, hätten wir Schaufeln mitgebracht.“
Zum Glück war die Erde weich. Iwan und Larry
warfen den lockeren Boden nach allen Seiten. Raschelnd flog die schwarze Erde
auf den fahlen Grasboden, der für Evelyn Schelcher zu einer tödlichen Falle
geworden war. „Die Hexe und ihr Knusperhaus sind verschwunden“, bemerkte Iwan
zwischendurch, ohne auch nur eine Sekunde mit dem Graben innezuhalten. „Ich
hätte gern mal einen Blick in ihren Komfortbungalow geworfen ... Der heutige Auftritt
wird uns dazu wohl keine Gelegenheit mehr geben. Die Sache scheint
abgeschlossen.“
„Ist mir zuerst ganz recht so.“ X-RAY-3 stand
bis über die Knöchel in der weichen Erde, war tief nach vorn gebückt, und das
Loch, das er mit bloßen Händen grub, hatte schon eine bemerkenswerte Tiefe.
„Die Probleme, die uns Luzifera hinterlassen hat, reichen vorerst.“ Er stieß
die Hände tief in den lockeren Boden, dabei noch nicht, wie erhofft, auf festen
Widerstand. „Das Loch kann doch nicht unendlich sein“, entfuhr es ihm, und er
verdoppelte seine Anstrengungen. Die Zeit lief ihnen davon. Mit jeder Minute,
die verstrich, wuchs das Risiko, dass Evelyn Schelcher in ihrem Grab erstickte.
„Ich fühl was, Towarischtsch.“ Iwan
Kunaritschew ging im gleichen Moment auf die Knie herunter. Mit beiden Händen
buddelte er in der losen Erde. Etwas Helles schimmerte durch den Boden. Weiße
Haut! Eine schmale Frauenhand!
Larry und Iwan gruben weiter, und ihr Einsatz
wurde belohnt. Mit größter Schnelligkeit legten sie Arme und den Kopf frei.
Evelyn Schelcher lag schlaff und verkrümmt in dem Erdloch. Die Abwärtsbewegung
hatte irgendwann zum Glück mal aufgehört, und nur die Erde, die von allen
Seiten nachgerutscht war, hatte sich über ihr ausgebreitet. Evelyns Haare,
Ohren, Augen, Mund und Nase waren verklebt. Mit schnellen Bewegungen befreite
Larry Mund- und Nasenöffnungen vom weichen Sand, während Kunaritschew den
Körper weiter freilegte. Evelyn Schelcher wurde in bewusstlosem Zustand aus dem
Erdloch geholt.
Iwan und Larry trugen sie an den Rand der
mysteriösen Lichtung, und X-RAY-3 begann mit Mund-zu-Mund-Beatmung, während der
Russe sich wieder das Grabloch vornahm. Nach Luziferas Verschwinden waren auch
die unheimlichen Knochenhände nicht mehr in Erscheinung getreten, die Evelyn
Schelcher in diese prekäre Situation gebracht hatten. Aber der Knochenmann war keine Fata Morgana gewesen. An dieser Stelle musste seit
langer Zeit etwas in der Erde liegen, das Luzifera in dieser Nacht beschworen
hatte.
Iwan wurde fündig. Er fühlte in der Erde den
harten Knochen, umklammerte ihn und riss ihn in die Höhe. An dem dünnen, mit
Erde verklebten Handgelenk hing alles andere dran. Arm, Schultern, Kopf, der
ganze Körper des Skeletts, von dem sie vorhin nur die Hände aus dem Erdloch
ragen sahen. Das völlig fleischlose Gerippe hing unten ziemlich fest. Bei dem
Versuch, es in die Höhe zu ziehen, lösten sich einzelne Glieder. Iwan warf
zuerst den linken Arm auf die Lichtung und holte dann den Brustkorb mit dem
dranhängenden anderen Arm aus der Tiefe, dann folgten die länglichen
Oberschenkelknochen. Klappernd sammelten sich die aus dem Boden gezogenen
Knochen auf einem Berg. Es war das Skelett einer Frau, die vor langer Zeit
einfach in ein Loch in der Erde geworfen und dann zugeschaufelt worden war. War
es das Skelett der mysteriösen Hexe Luzifera ?
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„Wie geht es ihr, Towarischtsch?“, fragte
Iwan besorgt, als er sich Larry genähert hatte.
„Sie atmet besser
und scheint zu sich zu kommen. Ich glaube, wir haben’s
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