1284 - Am Paß der Icana
Angreifer, aber die Angst hatte ihnen die Sinne verwirrt. Sie kümmerten sich nicht um die Asahuero.
Huasqa hatte den Degen gezogen. Mit kräftigem Schwung schnitt er die Wand des Zeltes von oben bis unten entzwei. Drinnen gellte ein zorniger Schrei. Huasqa warf sich vorwärts. Etwas blitzte dicht vor ihm. Er spürte brennenden Schmerz, als ihm der kalte Stahl des Panieli-Offiziers über die linke Wange fuhr. Er war in vollem Schwung; einen zweiten Angriff hätte er nicht parieren können. Aber Manku war an seiner Seite. Der bronzene Dolch fand sein Ziel. Ächzend ging der Panieli zu Boden.
Huasqas Degen zerfetzte ein Gehänge aus kostbarem Stoff. Er gelangte in einen kleinen, quadratischen Raum, der durch eine Talglampe erhellt wurde. An der gegenüberliegenden Wand stand der kleine Mann mit dem verwachsenen Rücken, von Natur aus schon hellhäutig, jetzt aber bleich wie der Tod. Er hatte die Arme zur Seite gestreckt und schien sich an der Zeltwand abstützen zu wollen. Die nackte Angst leuchtete aus seinen dunklen Augen.
Hinter Huasqa drangen Manku und die übrigen Krieger ins Innere des Zeltes.
„Nehmt von dem Zeug, das sie Papier nennen", schrie Huasqa. „Ihre Pläne stehen darauf. Vielleicht finden wir jemand, der sie entziffert."
Ohne zu zögern, wandte er den Degen in der Hand, so daß er ihn an der Klinge zu fassen bekam. Der kleine Mann gab ein ängstliches Gewimmer von sich, als er zum Schlag ausholte. Der Griff der Waffe traf ihn am Kopf. Bewußtlos ging er zu Boden.
Huasqa barg die Klinge und raffte den Admiral auf wie ein Bündel Lumpen.
„Keine Angst", murmelte er. „Lebendig nützt du mir mehr als tot." Er sah sich um. Die Krieger hatten an sich gerissen, was ihnen wertvoll erschien.
„Zurück!" rief Huasqa. „Wir haben alles, was wir brauchen."
Niemand verlegte ihnen den Weg. Aus der Dunkelheit kam das wütende Schnauben der Icana, die unter den fliehenden Panieli grausige Ernte hielt. Ungesehen erreichten sie den Felseinschnitt und kletterten nach oben. Schwierigkeiten machte ihnen allein der bewußtlose Admiral. Zwei Krieger hatten ihn zwischen sich genommen und manövrierten ihn, so gut es ging, den schmalen Kamin hinauf. Wenn er zu sich kam, würden ihm ein paar Stücke Haut fehlen. Sein seidenes Nachtgewand bot nur unzureichenden Schutz gegen die Schärfe der Felsen.
Kurze Zeit später erreichten sie den Steig, auf dem Huasqa den ganzen Tag verbracht hatte. Belisar wurde sofort nach hinten gebracht, zum westlichen Paßausgang, wo die wartenden Krieger ihn in Empfang nehmen und dafür sorgen würden, daß er nicht entkam.
Manku und Huasqa blieben auf der Felsleiste. Unter ihnen brannten die Feuer nieder.
Kein einziger Panieli ließ sich mehr sehen. Nur die Toten waren noch da, die die Lawine erschlagen oder der giftige Schwanz der Icana gefällt hatte. Das grunzende Fauchen erstarb in der Ferne. Die Bestie hatte sich gesättigt. Auf Umwegen würde sie nun zu ihrem Lager zurückkehren und sich dort von neuem zur Ruhe legen.
Manku und Huasqa warteten geduldig. Erst das Licht der Sonne würde ihnen zeigen, wie groß ihr Sieg war.
*
Was das Licht des Tages ihnen enthüllte, übertraf alle ihre Erwartungen. Zwölf Wagen und fast zweihundert Donnerrohre, das war die materielle Beute. Am Westausgang des Passes waren zwanzig Panieli gefangengenommen worden. Von denen, die unter den Felstrümmern lagen oder von den Schwanzschlägen der Bestie zu Boden geschleudert worden waren, lebten noch dreiundvierzig und würden bei einigem Geschick der Schamanen wieder auf die Beine kommen. Fast dreihundert Tote wurden unter den Trümmern gezählt. Der Rest von Belisars Streitmacht war nach Osten hin entkommen, aber es stand nicht zu erwarten, daß die Geflohenen sich jemals wieder zu einer gefechtsfähigen Einheit zusammenfinden würden. Die Pferde waren ebenfalls ausgerissen. Die meisten von ihnen würden den Tieren des Dschungels zum Opfer fallen.
Vor allen Dingen aber: Belisar befand sich in der Hand der Atahau. Solange er Ebhinors Gefangener war, würden die überlebenden Panieli es nicht wagen, einen weiteren Vorstoß zu unternehmen.
Huasqa sah die Zukunft vor sich: Die Gefangenen würden die Atahau im Gebrauch der Donnerstäbe und der beiden großen Rohre unterweisen. Die Waffenschmiede würden die Stäbe und die Rohre nachbauen und die Schamanen die Pulver und sonstigen Ingredienzien herstellen, die man für ihren Betrieb brauchte. Von jetzt an brauchten die Atahau die Invasionen
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