1297 - Das Blutsee-Quartett
Es wäre nicht gut gewesen, wenn er sich unter die hier lebenden Mönche gemischt hätte. Davon hatte ihm Bruder Anselmo abgeraten.
Also blieb er in seiner Zelle und wartete auf bessere Zeiten. Über diese Hoffnung konnte er nur lachen, denn besser würden die Zeiten nicht werden, und das lag vor allen Dingen an diesem verfluchten Blutsee-Quartett. Zwei Frauen und zwei Männer, die nackt aus der Tiefe des Sees gestiegen waren. Die sich sogar bewegt hatten, die lebten, obwohl sie hätten tot sein müssen. Erstickt, ertrunken, wie auch immer.
Paolo Cotta verstand die Welt nicht mehr. Das Erscheinen dieser Gestalten hatte sein Empfinden radikal auf den Kopf gestellt. Nichts war mehr so wie früher. Er musste sein normales Denken zurückstellen. Das hatte einen Riss bekommen. Da war etwas geschehen, das er mit Logik nicht erklären konnte.
Es gab Tote, die lebten. Zombies…
Kalt rann es seinen Rücken hinab. Er hatte immer über den Begriff gelacht, auch wenn er diese Filme gesehen hatte. Hin und wieder liefen sie auf irgendwelchen Kanälen. Sie waren schon älter, und damals hatten die Maskenbildner ihr Bestes versucht und mit viel künstlichem Blut gearbeitet. Heute gab es andere Techniken, da waren die alten Schinken nur lächerliche Versuche, doch dass die Wirklichkeit so etwas bereithielt, hätte er nie für, möglich gehalten. Das mussten diese Zombies sein, die aus einem See geklettert waren, dessen Inhalt Blut war.
Das musste man sich mal durch den Kopf gehen lassen! Ein See voller Blut. Woher kam es? Wer hatte es dorthin geschafft? Vielleicht aus der Erde? Hatte sich dort in langer Zeit irgendwas angesammelt, das jetzt seinen Weg nach draußen suchte?
Es war durchaus möglich, aber nicht erklärbar. Er kannte die Vulkanausbrüche. Die Erde bebte ja nicht nur auf Sizilien, auch die Region Kalabrien war des Öfteren betroffen, und so erklärte er sich das Vorhandensein des Blutes durch irgendwelche Eruptionen, die im Erdinnern stattgefunden hatten.
Durch den gewaltigen Druck war eben das Zeug in die Höhe geschleudert worden. Außerdem stand nicht wirklich fest, dass es sich um Blut handelte.
Er selbst hatte nur daran gerochen und es nicht geschmeckt. Das würde er auch jetzt nicht tun, denn als er daran dachte, überkam ihn wieder ein Ekel.
Die Gedanken schafften es trotzdem nicht, ihn ruhiger werden zu lassen. Auch wenn ihm die Flüssigkeit letztendlich egal war, es ging ihm um dieses Quartett.
Grauenhaft war es. Und es hatte Jagd auf ihn machen wollen. Was wäre geschehen, wenn er den vier Gestalten in die Hände gefallen wäre? Hätten sie ihn getötet, um ihn dann…
Nein, daran wollte er nicht denken. Der Gedanke war einfach zu schlimm.
Plötzlich gefiel Cotta die Luft nicht mehr, die ihn umgab. Er glaubte sogar, den Blutgeruch wahrzunehmen, schaute sich um, sah aber nichts, was sich verändert hätte. Es rann auch kein Blut aus der Wand, und der honiggelbe Schein der Lampe hatte sich auch nicht verändert.
Paolo Cotta stand auf und drehte sich nach rechts, um auf das Fenster zuzugehen. Er brauchte jetzt frische Luft, sonst wurde er noch verrückt.
Das Fenster ließ sich zwar aufziehen, aber es klemmte, und er musste daran zerren, um es zu öffnen.
Endlich schwappte ihm die frische Luft entgegen. Es war dunkel geworden, und die Temperatur war gesunken. Zwar zeigte der Himmel noch letzte helle Flecken, doch bald würde die Dunkelheit die Oberhand gewinnen.
Er kannte den Ausblick nach draußen. Im Hellen hätte er noch einiges sehen können, im Dunkeln jedoch nicht mehr. Da verschwamm alles zu einer dunklen Soße, und nur die Bergspitzen malten sich schärfer vor dem Hintergrund ab.
Cotta beugte sich nach vorn, um in die Tiefe zu schauen. Es ging recht steil hinab. In der Dunkelheit sah es auch anders aus als im Hellen, aber er wusste, dass die Bergwand doch nicht direkt senkrecht abfiel, sondern einen gewissen Neigungswinkel hatte.
Für Bergsteiger wäre es ein ideales Trainingsgelände gewesen. Besonders die Mauern des Klosters waren für extreme Kletterer geeignet.
Cotta senkte den Kopf.
Jetzt sah er zum ersten Mal das Licht. Es drang aus dem unteren Teil des Klosters hervor und malte gelbliche Inseln in die Dunkelheit. Diese Welt war so nah bei ihm und trotzdem irgendwie meilenweit entfernt. Er musste auch weiterhin in seiner kalten, kleinen Zelle bleiben.
Aber die frische Luft tat ihm gut. Sie spülte seine Gedanken frei. Er fühlte sich auch besser und dachte wieder an Father
Weitere Kostenlose Bücher