13 - Geheimagent Lennet in der Schlangenfestung
ein, beim Volleyballspiel mitzumachen. Lennet nahm mit Begeisterung an. Erhitzt vom Springen und Laufen ging die ganze Mannschaft anschließend schwimmen. Die Sonne stand schon tief im Westen. Einer der Spieler, ein junger Spanier, schlug vor, am übernächsten Tag mit einem ihm bekannten Fischer hinauszufahren.
»Ich mache mit", erklärte Lennet mit Feuereifer, bevor er in Richtung Hotel davonging.
Der Geheimagent war sehr kontaktfreudig. Es fiel ihm leicht, Menschen kennenzulernen und sich mit ihnen zu befreunden.
Diese Bekanntschaften dauerten jedoch nie länger als ein paar Tage, vielleicht ein paar Wochen. Dann wurde er durch seinen Beruf wieder herausgerissen.
Wie üblich wurde er gefragt, was er beruflich mache, und wie üblich erklärte Lennet, daß er »in Schreibmaschinen" zu tun habe. Niemand fragte weiter. Schließlich hatten alle Urlaub, und keiner wollte über Arbeit sprechen.
Ehe er in sein Zimmer ging, machte Lennet noch einen kleinen Abstecher zum Schwimmbecken. Ihm persönlich erschien es lächerlich, in einem nach Chlor stinkenden Becken zu baden, wenn das Meer nur zwei Schritte entfernt ist. Aber er wollte gerne die Leute sehen, die es vorzogen, in dieser Brühe zu schwimmen.
Das Schwimmbecken war fast leer. Nur ein paar Springer ließen ihre Künste bewundern. Die anderen Gäste lagen auf Liegestühlen am Beckenrand, obwohl die Sonne bereits seit längerer Zeit untergegangen war und der Himmel zunehmend dunkler wurde. Rote, gelbe, orangefarbene Lampions hingen an eisernen Ständern und spiegelten sich im grünen Wasser.
Kellner in weißen Jacken liefen eilfertig umher und servierten Getränke aller Art.
Lennet wollte gerade ins Haus gehen, als er plötzlich heftige Stimmen hörte. Er wandte sich um und entdeckte die beiden jungen Franzosen vom Nebentisch.
»Los, Mira, hinein mit dir", rief der Junge. Er hatte seine Kusine an den Haaren gepackt und zog sie zum Wasser hin.
»Edmond, ich bitte dich! Nicht ins tiefe Becken. Du weißt doch, daß ich nicht schwimmen kann!«
»Ganz schön blöd! Sechzehn Jahre alt und kann nicht schwimmen! Ich werde es dir schon beibringen.«
Mira trug ein einfaches, schmuckloses Kleid. Edmond dagegen strahlte in der Pracht eines großartigen weißen Smokings, mit einem Hemd mit blauer Spitzenbrust, schwarzer Fliege, mit Manschettenknöpfen aus Goldstücken und einer schwarzen, mit Satinstreifen verzierten Hose, deren Bügelfalte scharf wie ein Messer war. Offensichtlich hatte er vor, die Abwesenheit seiner Eltern zu einer Tour durch die Nachtlokale zu benützen.
»Edmond!« schrie Mira entsetzt. »Begreif doch! Du weißt doch, daß Mama ertrunken ist!«
»Eben darum mußt du schwimmen lernen, daß es dir nicht genauso geht.«
Die Leute rundherum schauten gleichgültig zu. Was war das schon. Zwei Jugendliche, die sich stritten. Das gab es alle Tage.
Vielleicht verstand auch keiner Französisch.
Lennet machte einen Schritt nach vorn. Zwar kam es ihm absurd vor, daß jemand Angst vor dem Wasser hatte, aber dieses Mädchen hier hatte Gründe dafür. Schließlich kann man es sich nicht aussuchen, wovor man Angst hat.
»He, du Wagendemolierer", rief er. »Hör sofort auf, oder ich demoliere dich!«
Aber es war schon zu spät! Mit einem Ruck hatte Edmond seine Kusine ins Wasser befördert.
Lennet sprang hinterher.
Mira hatte kaum die Wasseroberfläche erreicht, als sie auch schon gepackt und sicher zur nächsten Leiter gezogen wurde.
Eine freundliche Stimme sagte: »Ich werde Ihnen im kleinen Becken das Schwimmen beibringen, wenn Sie wollen. Aber jetzt ziehen Sie sich erst einmal um.«
Lennet hörte nicht mehr auf den Dank des jungen Mädchens.
Er ging rasch auf den »Smoking" zu. Die Zuschauer begriffen, daß hier etwas passiert war und drängten näher. Es gab schon einen Kreis von Neugierigen.
»Du hast mich einen Wagendemolierer genannt?« fragte der Smoking.
Lennet musterte sein Gegenüber. Sie waren etwa gleich groß und sahen auch gleichaltrig aus. Doch der eine war ein normaler junger Mann, der andere ein trainierter Kämpfer! Es wäre ein ungleicher Kampf geworden!
Ich will es auf die sanfte Tour versuchen, dachte Lennet. »Ja", sagte er laut. »Aber was du mit deinem Auto anstellst, ist mir völlig egal!«
»Aber meine Kusine ist dir nicht egal, was?«
»Deine Kusine ist mir eigentlich auch egal, aber nicht ein Mensch, der tödliche Angst vor dem Wasser hat, weil seine Mutter ertrunken ist!«
»Hör auf, sonst fange ich an zu weinen",
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