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13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

Titel: 13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ein Geheimnis will ich dir verraten, denn es kann dir vielleicht von Nutzen sein. Über den Osten von hier brechen böse Tage herein, und es ist möglich, daß du einen dieser Tage erlebst. Kommst du in Not und Gefahr an einer Stelle, welche zwischen Aschiehtah und Gunduktha, dem letzten Ort von Tkhoma, liegt, und es kann dir niemand helfen, so sage dem ersten, der dir begegnet, daß dich der Ruh 'i kulyan (Kurdisch:Geist der Höhle) beschützen wird. Hört er dich nicht, so sage es weiter, bis du einen findest, der dir Auskunft gibt.
    „Der Ruh 'i kulyan? Der Höhlengeist? Wer führt diesen sonderbaren Namen?“ fragte ich die Hundertjährige.
    „Das wird dir niemand sagen können.“
    „Aber du sprichst von ihm und kannst mir wohl Auskunft geben?“
    „Der Ruh 'i kulyan ist ein Wesen, das niemand kennt. Er ist bald hier, bald dort, überall, wo ein Bittender ist, der es verdient, daß seine Bitte erfüllt werde. In vielen Dörfern gibt es einen bestimmten Ort, an welchem man zu gewissen Zeiten mit ihm reden kann. Dahin gehen die Hilfesuchenden um Mitternacht und sagen ihm, was sie von ihm begehren. Er gibt dann Rat und Trost, aber er weiß auch zu drohen und zu strafen, und mancher Mächtige tut, was er von ihm begehrt. Nie wird vor einem Fremden von ihm gesprochen; denn nur die Guten und die Freunde dürfen wissen, wo er zu finden ist.“
    „So wird mir dein Geheimnis keinen Nutzen bringen.“
    „Warum?“
    „Man wird mir nicht sagen, wo er zu finden ist, obgleich man sieht, daß ich seinen Namen kenne.“
    „So sage nur, daß ich dir von ihm erzählt habe: dann wird man dir den Ort sagen, wo er zu finden ist. Mein Name ist bekannt im ganzen Land von Tijari, und die Guten wissen, daß sie meinen Freunden vertrauen dürfen.“
    „Wie lautet dein Name?“
    „Marah Durimeh heiße ich.“
    Das war eine geheimnisvolle Mitteilung, die aber so abenteuerlich klang, daß ich nicht den mindesten Wert auf sie legte. Ich verabschiedete mich und ging nach Hause. Dort merkte ich, daß es ungewöhnlich laut in der Küche herging. Es mußte der edlen ‚Myrte‘ etwas widerfahren sein, was ihren Unmut erweckt hatte. Unter den gegenwärtigen Umständen konnte das kleinste Ereignis für mich Wert besitzen, und so trat ich ein. Mersinah hielt dem tapferen Agha eine Strafpredigt, das sah ich auf den ersten Blick. Sie stand mit drohend erhobenen Armen vor ihm, und er hielt die Augen niedergeschlagen wie ein Knabe, der von seinem Erzieher einen Verweis erhält. Sie sahen mich eintreten, und sofort bemächtigte sich die ‚Myrte‘ meiner.
    „Siehe dir einmal diesen Selim Agha an!“
    Sie deutete mit gebieterischer Miene auf den armen Sünder, und ich machte mit meinen Kopf eine Viertelwendung nach rechts, um ihn pflichtschuldigst in Augenschein zu nehmen.
    „Ist dieser Mann ein Agha der Arnauten?“ fragte sie nun.
    „Ja.“
    Ich gab diese Antwort natürlich in dem Ton meiner festesten Überzeugung, aber grad dieser Ton schien einen Rückfall ihres Raptus über sie zu bringen.
    „Was! Also auch du hältst ihn für einen Befehlshaber tapferer Krieger? Ich werde dir sagen, was er ist; ein Agha der Feiglinge ist er!“
    Der Agha schlug die Augen auf und versuchte, einen verweisenden Blick zustande zu bringen. Es gelang ihm leidlich.
    „Erzürne mich nicht, Mersinah, denn du weißt, daß ich dann schrecklich bin!“ sagte er dabei.
    „Worüber seid ihr so ergrimmt?“ wagte ich jetzt zu fragen.
    „Über diese fünfzig Piaster!“ antwortete die ‚Myrte‘, indem sie mit der verächtlichsten ihrer Mienen auf die Erde deutete.
    Ich blickte nieder und sah nun zwei silberne Zwanzig- und ein ebensolches Zehn-Piasterstück am Boden liegen.
    „Was ist's mit diesem Geld?“
    „Es ist vom Mutesselim.“
    Jetzt begann ich das übrige zu ahnen und fragte:
    „Wofür?“
    „Für die Gefangennehmung des Makredsch. Effendi, du weißt ungefähr, wieviel Geld dieser bei sich hatte?“
    „Ich schätze es auf ungefähr vierundzwanzigtausend Piaster.“
    „So hat Selim mir doch die Wahrheit gesagt. Dieses viele ungeheure Geld hat der Kommandant dem Makredsch abgenommen und von demselben diesem tapfern Agha der Arnauten fünfzig Piaster gegeben!“
    Bei diesen Worten bildete ihr ganzes Gesicht ein empörtes Ausrufezeichen. Sie schob die Silberstücke mit dem Fuß fort und fragte mich:
    „Und weißt du, was dieser Agha der Arnauten getan hat?“
    „Was?“
    „Er hat das Geld genommen und ist davongegangen, ohne ein einziges Wort zu

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