13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
und steckte ihn zu mir.
„Jetzt komm herunter!“
Der Hund blieb oben, und wir stiegen hinab, wo die andern meiner warteten. Ich erzählte ihnen nun, was sich oben zugetragen hatte. Der Engländer betrachtete sich den Gefangenen, welcher höchstens im Anfang der zwanziger Jahre stehen konnte, und sagte dann:
„Master, dieser Kerl sieht sehr ähnlich! Dem Alten! Yes!“
Jetzt fand ich dies auch; vorher hatte ich es nicht bemerkt.
„Wahrhaftig! Sollte es sein Sohn sein?“
„Sicher! Sehr sicher! – Fragt ihn einmal, den Schlingel!“
Verhielt es sich so, dann war allerdings die Sorge des Nezanum um diesen Menschen sehr begründet; aber dann lag auch ein ganz außerordentlicher Bruch der Gastfreundschaft vor.
„Wer bist du?“ fragte ich den Gefangenen.
„Ein Kurde“, antwortete er.
„Aus welchem Ort?“
„Aus Mia.“
„Du lügst!“
„Herr, ich sage die Wahrheit!“
„Du bist aus diesem Dorf!“
Er zögerte nur einen Augenblick, aber es war genug, um mir zu verraten, daß ich recht hatte.
„Ich bin aus Mia!“ wiederholte er.
„Was tust du hier so weit von deiner Heimat?“
„Ich bin als Bote des Nezanum von Mia hier.“
„Ich glaube, du kennst den Nezanum von Mia nicht so gut wie den hiesigen; denn du bist der Sohn des letzteren!“
Jetzt erschrak er förmlich, obgleich er sich Mühe gab, dies nicht merken zu lassen.
„Wer hat dir diese Lüge gesagt?“ fragte er.
„Ich lasse mich nicht belügen – weder von dir noch von anderen. Ich werde bereits in der Frühe wissen, wer du bist, und dann gibt es keine Gnade, falls du mich betrogen hast!“
Er blickte verlegen vor sich nieder. Ich mußte ihm zu Hilfe kommen: „Wie du dich verhältst, so wirst du behandelt. Bist du aufrichtig, so will ich dir verzeihen, weil du zu jung warst, um dir alles vorher zu überlegen. Verharrst du aber in deiner Verstocktheit, so gibt es keine andere Gesellschaft für dich als meinen Hund!“
„Chodih, du wirst es doch erfahren“, antwortete er nun. „Ja, ich bin der Sohn des Nezanum.“
„Was suchtet ihr in diesem Haus?“ fuhr ich in dem Verhör fort.
„Die Pferde!“
„Wie wolltet ihr sie fortbringen?“
„Wir hätten euch eingeriegelt und die beiden Türen geöffnet; dann wären die Pferde unser.“
Dieses Geständnis war gar nicht genug beschämend für ihn, denn bei den Kurden gilt der Pferdediebstahl ebenso wie der offene räuberische Überfall für eine ritterliche Tat.
„Wer ist der Tote, welcher oben liegt?“
„Der Besitzer dieses Hauses.“
„Sehr klug! Er mußte vorangehen, weil er die Schliche am besten kannte. Aber warum bist grad du ihm gefolgt? Es waren doch noch andere und stärkere Männer vorhanden!“
„Der Hengst, welchen du rittest, Chodih, sollte meinem Vater gehören, und ich mußte dafür sorgen, daß kein anderer ihn beim Zügel ergriff; denn wer ein Pferd zuerst ergreift, hat das Recht darauf.“
„Also dein Vater hat selbst den Diebstahl anbefohlen? Dein Vater, welcher mir die Gastfreundschaft zusagte!“
„Er hat sie dir zugesagt, aber ihr seid dennoch nicht unsere Gäste.“
„Warum nicht?“ fragte ich verwundert.
„Ihr wohnt allein in diesem Haus. Wo habt ihr den Wirt, dessen Gast ihr seid? Hättet ihr verlangt, daß der Besitzer dieser Wohnung in derselben bleiben soll, so wäret ihr unsere Gäste gewesen.“
Hier bekam ich eine Lehre, welche mir später nützlich sein konnte.
„Aber dein Vater hat mir ja Sicherheit versprochen und gelobt!“
„Er braucht sein Versprechen nicht zu halten, da ihr nicht unsere Gäste seid.“
„Mein Hund hat den Wirt getötet. Ist dies bei euch ein Grund zur Blutrache?“
Er bejahte es, und ich examinierte weiter:
„Wer ist der Rächer?“
„Der Tote hat einen Sohn hier.“
„Ich bin mit dir zufrieden. Du kannst nach Hause gehen!“
„Chodih“, rief er freudig erstaunt, „ist dies dein Ernst?“
„Ja. Ich habe dir gesagt, daß du behandelt werden sollst ganz so, wie du dich verhältst. Du bist aufrichtig gewesen, und so sollst du deine Freiheit haben. Sage deinem Vater, daß die Tschermaki sehr friedliche Leute sind, die zwar keinem Menschen nach dem Leben trachten, aber sich auch, wenn man sie beleidigt oder gar angreift, gehörig zu verteidigen wissen. Daß der Wirt gestorben ist, das tut mir leid; aber er selbst trägt die Schuld daran, und ich werde den Rächer seines Blutes nicht fürchten.“
„Du könntest ihm ja den Preis bezahlen. Ich will mit ihm reden.“
„Ich bezahle
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