13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
Verhaltensmaßregeln zu erteilen.
„Du bist gefangen“, bemerkte er ebenso treffend wie geistreich.
Ich antwortete nicht.
„Du kannst nicht entfliehen“, belehrte er mich in sehr überflüssiger Weise.
Ich antwortete wieder nicht.
„Wir gehen jetzt“, fuhr er fort; „aber dieses Weib wird dich sehr streng bewachen.“
„So sage ihr wenigstens, daß sie draußen bleiben soll!“ bemerkte ich endlich doch.
„Sie muß in der Hütte bleiben“, erwiderte er; „sie darf dich nicht aus den Augen lassen und soll dich auch füttern, wenn du Hunger hast; denn du kannst deine Hände nicht gebrauchen.“
„Wo ist das Futter?“
„Hier!“
Er deutete auf den wackeren Scherben, dessen Inhalt mir so verführerisch entgegen lachte.
„Was ist es?“ erkundigte ich mich.
„Ich weiß es nicht, aber Madana kann kochen wie keine zweite im Dorf.“
„Warum schleppt ihr mich hierher?“
„Das hab ich dir nicht zu sagen; du wirst es von einem anderen erfahren. Mache keinen Versuch, dich zu befreien, sonst gibt Madana ein Zeichen, und es kommen einige Männer, um dich noch schlimmer zu fesseln.“
Jetzt ging auch er fort. Ich hörte die sich entfernenden Schritte der beiden Männer, dann kam die holde ‚Petersilie‘ hereingekrochen und kauerte sich neben dem offenen Eingang in der Weise nieder, daß ich grad vor ihrem Blick lag.
Es war zwar keine angenehme Lage, ihn welcher ich mich befand, sie machte mir doch weniger Sorgen als der peinigende Gedanke an die Gefährten in Lizan. Der Melek lauerte mit Schmerzen auf mich, und die Kurden erwarteten wohl längst schon meine Wiederkehr. Und hier lag ich angebunden, wie eine Dogge in der Hundehütte! Was mußte daraus entstehen!
Ein Trost hatte ich doch. War Mohammed Emin nach Lizan gekommen, so hatte man sicher sofort den Platz aufgesucht, an welchem ich überfallen worden war. Man fand das tote Pferd und die Spuren des Kampfes, und im übrigen mußte ich dann auf den Scharfsinn und die Verwegenheit meines treuen Halef bauen.
So lag ich längere Zeit in Gedanken versunken und zermarterte mir vergebens den Kopf, um eine Art und Weise, wie die Flucht gelingen könne, zu ersinnen. Da störte mich die Stimme der holden Madana auf. Sie war ein Weib; warum sollte sie solange schweigen!
„Willst du essen?“ fragte sie mich.
„Nein.“
„Trinken?“
„Nein.“
Das Gespräch war zu Ende, aber die duftende Petersilie kam herbeigekrochen, ließ sich in unmittelbarer Nähe meiner armen Nase häuslich nieder und nahm dann den von mir verschmähten Scherben auf ihren Schoß. Ich sah, daß sie mit allen fünf Fingern der rechten Hand in das geheimnisvolle Amalgam langte und dann den zahnlosen Mund wie eine schwarzlederne Reisetasche auseinanderklappte – ich schloß die Augen. Eine Zeitlang hörte ich ein mächtiges Geknatsch; sodann vernahm ich jenes sanfte, zärtliche Streichen, welches entsteht, wenn die Zunge als Wischtuch gebraucht wird, und endlich erklang ein langes zufriedenes Grunzen, welches ganz hörbar aus einer wonnetrunkenen Menschenseele kam. O Petersilie, die Würze des Lebens, warum duftest du nicht draußen im Freien!
Nach langer Zeit erst öffnete ich die Augen wieder. Mein Schirm und Schutz saß noch immer vor mir und hielt die Augen forschend auf mich gerichtet. In diesen Augen schimmerte ein wenig Mitleid und viel Neugierde.
„Wer bist du?“ fragte sie mich.
„Weißt du es nicht?“ antwortete ich.
„Nein. Du bist ein Moslem?“
„Ich bin ein Christ.“
„Ein Christ und gefangen? Du bist kein Berwari-Kurde?“
„Ich bin ein Christ aus dem fernen Abendland.“
„Aus dem Abendland?“ rief sie erstaunt. „Wo die Männer mit den Frauen tanzen? Und wo man mit Schaufeln ißt?“
Also der Ruhm unserer abendländischen Kultur war bereits bis zu den Ohren der Petersilie gedrungen: sie hatte von unserer Polka und von unseren Löffeln gehört.
„Ja“, nickte ich.
„Aber was willst du hier in diesem Land?“
„Ich will sehen, ob hier die Frauen auch so schön sind wie die unsrigen.“
„Und was hast du gefunden?“
„Sie sind sehr schön!“
„Ja, sie sind schön“, stimmte sie bei, „schöner als in einem andern Land. Hast du ein Weib?“
„Nein.“
„Ich bedaure dich! Dein Leben gleicht einer Schüssel, in der weder Sarmysak noch Saljanghosch ist!“
Sarmysak und Saljanghosch, Schnecken in Knoblauch? Sollte dies das fürchterliche Gericht sein, welches vorhin in der ‚Reisetasche‘ verschwand? Und das hatte die
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