13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
Petersilie ohne ‚Schaufeln‘ bewältigt!
„Willst du dir kein Weib nehmen?“ erkundigte sie sich weiter.
„Ich möchte vielleicht wohl, aber ich kann nicht.“
„Warum nicht?“
„Kann man es tun, wenn man so gefesselt ist?“
„Du wirst warten, bis du wieder frei geworden bist.“
„Wird man mir die Freiheit wiedergeben?“
„Wir sind Chaldani; wir töten keine Gefangenen. Was hast du getan, daß man dich gebunden hat?“
„Das will ich dir erzählen. Ich bin über Mossul und Amadijah in dieses Land gekommen, um – – –“
Sie unterbrach mich hastig:
„Über Amadijah?“
„Ja.“
„Wann warst du dort?“
„Vor kurzer Zeit.“
„Wie lange bliebst du dort?“
„Einige Tage.“
„Hast du dort vielleicht einen Mann gesehen, der ein Emir und ein Hekim aus dem Abendlande war?“
„Ich habe ihn gesehen.“
„Beschreibe ihn mir!“
„Er hat ein Mädchen gesund gemacht, welches Gift gegessen hatte.“
„Ist er noch dort?“
„Nein.“
„Wo befindet er sich?“
„Warum fragst du nach ihm?“
„Weil ich gehört habe, daß er in diese Gegend kommen wird.“
Sie sprach mit einer Hast, welche nur von dem lebhaftesten Interesse hervorgebracht sein konnte.
„Er ist bereits in dieser Gegend“, sagte ich.
„Wo? Schnell, sag es!“
„Hier.“
„Hier in Schohrd? Du irrst; ich habe nichts davon gehört!“
„Nicht hier in Schohrd, sondern hier in deiner Hütte.“
„In dieser Hütte? Katera aïssa – um Jesu willen, dann wärst du's ja!“
„Ich bin der Mann, nach dem du fragst.“
„Herr, kannst du dies beweisen?“
„Ja.“
„Wen trafst du in dem Haus der Kranken, welche Gift gegessen hatte?“
„Ich traf dort Marah Durimeh.“
„Hat sie dir einen Talisman gegeben?“
„Nein; aber sie hat mir gesagt, wenn ich hier in Not kommen werde, so sollte ich nach dem Ruh 'i kulyan fragen.“
„Du bist's, du bist's, Herr!“ rief sie, indem sie die Hände zusammenschlug. „Du bist der Freund von Marah Durimeh; ich werde dir helfen; ich werde dich beschützen. Erzähle mir, wie du in diese Gefangenschaft geraten bist.“
Dies war heut bereits zum dritten Mal, daß ich die wunderbare Wirkung von dem Namen Marah Durimehs erlebte. Welche Macht besaß dieses geheimnisvolle Weib?
„Wer ist Marah Durimeh?“ fragte ich.
„Sie ist eine alte Fürstin, deren Nachkommen vom Messias abgefallen und zu Mohammed übergetreten sind. Nun tut sie Buße für sie und wird ruhelos hin und her getrieben.“
„Und wer ist der Ruh 'i kulyan?“
„Das ist der gute Geist. Die einen sagen, es sei der Engel Gabriel, die anderen meinen, daß es der Erzengel Michael sei, der die Gläubigen beschützt. Er hat hier gewisse Orte und gewisse Zeiten wo und wann man zu ihm kommen kann. Aber erzähle mir vorher, wie du gefangen wurdest!“
Die Erfüllung dieses Wunsches konnte mir nur von Nutzen sein. Ich überwand die Unannehmlichkeit meiner Körperlage und die Beschwerden, welche mir die Armfesseln verursachten und erzählte meine Erlebnisse von Amadijah bis zur gegenwärtigen Stunde. Die Alte hörte mir mit der größten Aufmerksamkeit zu, und als ich geendet hatte, faßte sie fast zärtlich die eine meiner zusammengeschnürten Hände.
„Herr“, rief sie, „du hast recht vermutet: Nedschir-Bey ist es, der dich gefangenhält. Ich weiß nicht, weshalb er es getan hat, aber ich liebe ihn nicht; er ist ein gewalttätiger Mann, und ich werde dich retten.“
„Du willst mir diese Fesseln abnehmen?“
„Herr, das darf ich nicht wagen. Nedschir-Bey wird bald kommen, und dann würde er mich sehr bestrafen.“
„Was willst du sonst tun?“
„Emir, heut ist der Tag, an welchem man um Mitternacht hier zum Ruh 'i kulyan geht. Der Geist wird dich erretten.“
„Willst du bei ihm für mich bitten?“
„Ich kann nicht zu ihm; ich bin sehr alt, und der Weg ist mir zu steil. Aber“ – – – sie hielt inne und blickte nachdenklich vor sich nieder; dann blickte sie mich forschend an – – – „Herr, wirst du mir eine Lüge sagen?“
„Ich sage dir die Wahrheit!“
„Wirst du fliehen, wenn du mir versprichst, es nicht zu tun?“
„Was ich verspreche, das halte ich!“
„Deine Arme schmerzen dich. Wirst du bleiben, wenn ich sie dir losbinde?“
„Ich verspreche es.“
„Aber darf ich sie dir auch wieder fesseln, wenn jemand kommt?“
„Auch das.“
„Schwöre es!“
„Die Heilige Schrift gebietet: Eure Rede sei ja ja, nein nein; was darüber ist, das ist
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