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13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

Titel: 13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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der Melek. „Hier drüben, zweihundert Schritte hinab, sind die Felsen, in denen sich die Höhle befindet. Hier steigen wir ab und lassen unsere Pferde zurück. Gehst du mit?“
    „Ja, um des Raïs willen, aber nur bis zur Höhle. Löscht die Fackeln aus!“
    Wir banden die Pferde, bei denen Halef und Lindsay zurückbleiben sollten, an die Bäume und knüpften dann den Raïs los. Damit er gehen konnte, wurden ihm auch die Bande von den Beinen genommen. Dojan, der Hund, stand dabei, und beobachtete ihn mit Augen, die selbst in der Dunkelheit zu erkennen waren; sie hatten fast jenen phosphoreszierenden Glanz, den man an den Augen einer Tintorera (Mittelamerikanischer Haifisch) bemerkt, wenn des Nachts das Meerwasser leuchtet und man dieses fürchterliche Ungeheuer in der durchsichtigen Flut deutlich erkennen kann.
    „Raïs, du folgst dem Melek und dem Bey. Ich gehe hinter dir. Zauderst du, so lernst du die Zähne dieses Hundes doch noch kennen!“
    Mit diesen Worten gab ich das Zeichen, unseren Weg nun fortzusetzen. Die angegebene Reihenfolge wurde beibehalten, und Nedschir-Bey weigerte sich nicht im mindesten, meiner Weisung Folge zu leisten. Wir schritten quer über den Bergkamm hinüber und dann eine Stellung hinab, von der aus ich die Felsen unter uns liegen sah. Nach kaum mehr als fünf Minuten standen wir an demselben Ort, an dem Ingdscha während meiner Unterredung mit dem Ruh 'i kulyan auf mich gewartet hatte.
    „Ihr sollt in die Höhle treten und dann so lange geradeaus gehen, bis ihr Licht findet“, bemerkte ich.
    Das Abenteuer schien die Beteiligten doch nicht ganz so gleichgültig zu lassen, wie ich aus ihren langen, tiefen Atemzügen schloß; denn ihre Gesichter konnte ich nicht deutlich sehen.
    „Emir, binde mir die Arme los!“ bat da der Raïs.
    „Das wollen wir nicht wagen“, antwortete ich.
    „Ich entfliehe nicht; ich gehe mit hinein!“
    „Schmerzen sie dich?“
    „Gar sehr.“
    „Du hast sie mir ganz ebenso binden lassen, und ich mußte die gleichen Schmerzen noch viermal länger ertragen als du. Dennoch würde ich die Schnur lösen, aber ich glaube deiner Versicherung nicht.“
    Er schwieg; mein Mißtrauen war also wohl begründet gewesen. Die beiden anderen nahmen ihn in ihre Mitte.
    „Herr, bleibst du hier, oder gehst du zu den Pferden zurück?“ fragte der Bey.
    „Wie ihr es wollt.“
    „So bleibe hier. Dieser Mann könnte es doch notwendig machen, dich zu brauchen.“
    „So geht; ich werde euch hier erwarten.“
    Sie gingen, und ich ließ mich auf einen Stein nieder.
    Der Hund hatte seine Pflicht so gut begriffen, daß er dem Raïs so lange folgte, bis ich ihn zurückrief. Nun kauerte er sich neben mir nieder, legte mir den feinen Kopf auf das Knie und ließ sich von meiner Hand streicheln.
    So saß ich eine lange, lange Zeit allein im Dunkel. Meine Gedanken schweiften zurück über Berg und Tal, über Land und Meer zur Heimat. Wie mancher Forscher hätte viel dafür gegeben, hier an meiner Stelle sein zu können! Wie wunderbar hatte mich Gott bis hierher geleitet und beschützt, während ganze, große, wohlausgerüstete Expeditionen da zu Grunde gegangen und vernichtet worden waren, wo ich die freundlichste Aufnahme gefunden hatte! Woran lag dies? Wie viele Bücher hatte ich über fremde Länder und ihre Völker gelesen und dabei wie viele Vorurteile in mich aufgenommen! Ich hatte manches Land, manches Volk, manchen Stamm ganz anders – und besser gefunden, als sie mir geschildert worden waren. Der Gottesfunken ist im Menschen niemals vollständig zu ersticken, und selbst der Wildeste achtet den Fremden, wenn er sich selbst von diesem geachtet sieht. Ausnahmen gibt es überall. Wer Liebe sät, der wird Liebe ernten, bei den Eskimos wie bei den Papuas, bei den Aïnos wie bei den Botokuden. Mit so ganz heiler Haut war ich zwar auch nicht davongekommen, denn einige Schmarren, Schrammen und Löcher hatte diese Haut doch immerhin davongetragen; aber doch nur, weil ich sozusagen als ‚armer Reisender‘ gewandert war, und man weiß ja, daß selbst der ‚höflichste Handwerksbursche‘ zuweilen ein scharfes Wort oder gar einen unsympathischen Klaps in Kauf nehmen muß. Dürfte ich doch ein Pionier der Zivilisation, des Christentums sein! Ich würde nicht zurückdrängend oder gar vernichtend unter meine fernen Brüder treten, die ja ebenso Gottes Kinder sind, wie wir stolzen Egoisten; ich würde jede Form der Kultur und auch den kleinsten ihrer Anfänge schätzen; es kann ja

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