13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
er. „Wir legen diesen Dschadd (Großvater) mit dem Bauch auf das Pferd; so kann er schwimmen lernen.“
„Wohl; schaffe ihn hinaus!“
Der Kleine faßte den Großen beim Kragen des Gewandes, hob ihn halb empor, drehte sich um, so daß Rücken auf Rücken kam, schleifte ihn hinaus. Die anderen folgten. Jetzt trat Lindsay zu mir heran.
„Master“, sagte er. „Habe nichts verstanden, nothing not, weniger als nichts. Wohin geht Ihr?“
„Zum Höhlengeist.“
„Höhlengeist? Thunder-storm! Darf ich mit?“
„Hm! eigentlich nicht.“
„Pshaw! Werde diesen Geist nicht aufessen!“
„Glaube es!“
„Wo wohnt er?“
„Droben in den Felsen.“
„Felsen? Gibt's da Ruinen?“
„Weiß nicht. Es war dunkel oben währen meiner Anwesenheit.“
„Felsen! Höhlen! Ruinen! Geister! Vieleicht auch Fowling-bulls?“
„Ich glaube nicht.“
„Und dennoch gehe ich mit! War hier so lange allein; kein Mensch versteht mich. Bin froh, daß ich Euch wieder habe. Nehmt mich mit!“
„Nun wohl; aber zu sehen werdet ihr wohl nichts bekommen.“
„Disagreeable, uncivil! Wollte auch einmal Geist sehen – Geist oder Gespenst! Gehe aber doch mit! Yes!“
Als wir aus dem Haus traten, war die ganze Bevölkerung Lizans vor demselben versammelt; doch herrschte trotz der vielen Menschen eine tiefe Stille. Man sah bei dem Schein der Fackeln ganz deutlich, daß ich mit Halefs Hilfe den Raïs auf das Pferd befestigte; aber keine Lippe regte sich, um nach der Ursache dieses gewiß ungewöhnlichen Verfahrens zu fragen. Unsere Pferde nebst den nötigen Fackeln wurden herbeigeschafft, und dann erst, als wir aufsaßen, erklärte der Melek den Versammelten, daß wir im Begriff ständen, den Ruh 'i kulyan aufzusuchen. Er befahl, bis zu unserer Wiederkehr nicht das geringste zu unternehmen, und dann ritten wir zwischen den erstaunten Zuhörern davon.
Voran ritt der Melek mit dem Bey; dann folgte Halef, der das Pferd des Raïs am Zügel führte, und der Engländer beschloß mit mir den kleinen Zug. Der Melek und Lindsay trugen die beiden Fackeln, die den Weg erleuchten sollten.
Dieser Weg war zunächst ein gebahnter Pfad; später wichen wir von demselben ab, hatten aber Raum genug für zwei nebeneinandergehende Pferde. Es war ein überaus phantastischer Ritt. Unter uns lag das bisher nur von höchstens vier Europäern betretene Tal des Zab im tiefsten, unheimlichen Dunkel. Diesseits, rechts von uns, glänzte die blutrote Lohe der Fackeln von Lizan zu uns herauf; links, jenseits des Wassers, zeigte ein mattheller Fleck die Stelle an, wo die Kurden lagerten; über uns dunkelte die Bergmasse, auf deren Höhe der Geist hauste, der selbst mir ein Rätsel war, obgleich er mir erlaubt hatte, ihn zu ‚rekognoszieren‘; und was nun uns sechs selbst betraf, so ritten wir zwischen den gespenstischen Reflexen unserer Kienbrände, bestanden aus einem Araber der Sahara, einem Engländer, einem Kurden, zwei Nasarah und einem Deutschen und hatten einen Gefangenen in der Mitte.
Da bogen wir um eine Felsenkante; das Tal verschwand hinter uns, und vor uns tauchten die weiten auseinanderstehenden Stämme des Hochwaldes auf, auf dessen weichem Boden wir aufwärts ritten. Das flackernde Licht der beiden Flammen wanderte von Ast zu Ast, von Zweig zu Zweig, von Blatt zu Blatt; neben, vor und hinter uns huschte, schwirrte und flatterte es wie zwischen den Spalten eines Gespensterromanes; der schlafende Wald atmete schwer rauschend, und die Huftritte unserer Pferde in dem tiefen Humusboden klangen wie die fernher tönenden Wirbel eines Trommler-Trauermarsches.
„Schauerlich! Yes!“ meinte der Engländer halblaut, indem er sich schüttelte. „Möchte nicht allein da zu dem Geist reiten. Well! Ihr wart allein?“
„Nein“.
„Nicht! Wer war dabei?“
„Ein Mädchen.“
„A maid! Good lack! Jung?“
„Ja.“
„Schön?“
„Sehr.“
„Interessant?“
„Versteht sich! Interessanter als ein Fowling-bull.“
„Heavens, habt ihr Glück! Erzählt!“
„Später Sir. Ihr werdet sie morgen auch sehen.“
„Well! Werde beurteilen, ob sie wirklich interessanter ist als Fowling-bull. Yes!“
Das leise geführte Gespräch verstummte wieder. Es lag etwas Heiliges, Unberührbares in dieser tiefen Waldnacht, und von jetzt an gab es keinen anderen Laut als nur zuweilen das Schnauben eines unserer Pferde. So kamen wir immer weiter empor, bis wir einen Bergkamm erreichten, wo die beiden Voranreitenden anhielten.
„Wir sind am Ziel“, sagte
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