13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
und laßt euch erklären!“
Wir traten in den größten Raum des Erdgeschosses, wo Platz für uns alle war. Hier ließen sie sich erwartungsvoll auf die Matten nieder, während der Raïs stehen mußte; seine Leine hatte der Hund zwischen den Zähnen, der bei der geringsten Bewegung des Gefangenen ein drohendes Knurren ausstieß.
„Wie ich in die Hände des Raïs von Schohrd geraten bin, und wie man mich behandelt hat, das hat euch wohl hier Halef ausführlich erzählt?“ fragte ich.
„Ja“, erklang es im Kreise.
„So brauche ich es nicht zu wiederholen und – – –“
„O doch, Emir, erzähle es noch einmal selbst!“ unterbrach mich der Melek.
„Später. Jetzt haben wir keine Zeit dazu, denn es gibt Notwendiges zu tun.“
„Wie wurdest du frei, und wie ward der Raïs selbst dein Gefangener?“
„Auch das sollt ihr später ausführlich hören. Der Raïs hat die ganze Gegend aufgestachelt, sich morgen früh auf die Berwari zu werfen. Das wäre das Verderben der Chaldani – – –“
„Nein!“ ließ sich eine Stimme vernehmen.
„Streiten wir uns nicht! Es gab nur einen, der hier helfen konnte, nämlich der Ruh 'i kulyan – – –“
„Der Ruh 'i kulyan!“ erscholl es erstaunt und erschrocken.
„Ja und ich ging zu ihm.“
„Wußtest du seine Höhle?“ fragte der Melek.
„Ich fand sie und erzählte ihm alles, was geschehen war. Er hörte mir ruhig zu und sagte mir, ich solle – – –“
„Er hat mit dir gesprochen? Du hast seine Stimme gehört? – Emir, das ist noch keinem Sterblichen widerfahren“, rief einer der vornehmen Chaldäer, die mit uns eingetreten waren. „Du bist ein Liebling Gottes, und auf deine Stimme müssen wir hören!“
„Tut es, ihr Männer; das wird zu eurem Heile gereichen!“
„Was sagte der Geist der Höhle?“
„Er sagte, ich solle sofort nach Lizan gehen und den Melek, den Bey von Gumri und den Raïs von Schohrd zu ihm bringen.“
Ein lautes „Ah!“ der Bewunderung ging durch die Versammlung, und ich fuhr fort:
„Ich eilte herab und begegnete dem Raïs. Ich sagte ihm, daß er zu dem Ruh 'i kulyan kommen solle, und da er dem Rufe des Geistes nicht gehorchen wollte, so nahm ich ihn gefangen und brachte ihn hierher. Holt den Bey herbei, damit er es erfährt!“
Der Melek erhob sich.
„Emir, du scherzest nicht?“ fragte er.
„Diese Sache ist zu ernst zum Scherz!“
„So müssen wir gehorchen. Aber ist es nicht gefährlich, den Bey mitzunehmen? Wenn er uns entflieht, so sind wir ohne Geisel.“
„Er muß uns versprechen, nicht zu entfliehen, und er wird sein Wort halten.“
„Ich hole ihn.“
Er ging und brachte nach wenigen Augenblicken den Bey mit sich herein.
Als der Herrscher vom Gumri mich erblickte, eilte er auf mich zu.
„Du bist wieder da, Herr!“ rief er. „Alochhem d'Allah – Gott sei Dank, der dich mir wiedergegeben hat! Ich habe die Kunde von deinem Verschwinden mit großer Betrübnis vernommen, denn ich wußte, daß meine Hoffnung nur auf dich allein zu setzen sei.“
„Auch ich habe an dich mit banger Sorge gedacht, o Bey“, antwortete ich ihm. „Ich wußte, daß du wünschst, mich frei zu sehen, und Allah, der immer gütig ist, hat mich aus der Gewalt des Feindes errettet und mich wieder zu dir geführt.“
„Wer war der Feind? Dieser hier?“
Er deutete bei diesen Worten auf Nedschir-Bey.
„Ja“, antwortete ich ihm.
„Allah verderbe ihn und seine Kinder nebst den Kindern seiner Kinder! Bist du nicht der Freund dieser Leute gewesen, so wie du der meinige gewesen bist? Hast du nicht gesprochen und gehandelt, wie es zu ihrem Besten diente? Und dafür hat er dich überfallen und gefangengenommen! Siehst du nun, was du von der Freundschaft eines Nasarah zu erwarten hast?“
„Es gibt überall gute und böse Leute, unter den Muselmännern und unter den Christen, o Bey; darum soll der Freund nicht mit dem Feind leiden.“
„Emir“, entgegnete er, „ich liebe dich. Du hattest mein Herz erweicht, daß es Gedanken des Friedens hegte gegen diese Leute. Nun aber haben sie sich an dir vergriffen, und darum mag das Messer zwischen mir und ihnen reden.“
„Bedenke, daß du ihr Gefangener bist!“ warf ich ein.
„Meine Berwari werden kommen und mich befreien“, antwortete er stolz.
„Sie sind ja bereits da, aber sie sind zu schwach an Zahl.“
„Es sind noch viele Tausend hinter ihnen.“
„Wenn diese kommen, so ist es um dich geschehen. Sie würden dich nur als Leiche finden. Du
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