13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
unternehmen.
„Komm!“ gebot er dem Dorfältesten.
„Du willst dir die Wohnung anweisen lassen?“ fragte dieser.
„Ja, einstweilen. Wenn aber mein Herr angekommen ist, dann werde ich ihn herbeisenden, und es wird sich entscheiden, wer in diesem Haus schläft. Er wird auch richten zwischen mir und diesem Diener der beiden Araber!“
Sie gingen miteinander fort. Während der Abwesenheit des Nezanum leistete uns einer seiner Söhne Gesellschaft, und bald wurde uns gesagt, daß der Ort, an dem wir schlafen sollten, für uns bereitet sei.
Wir wurden in ein Gemach geführt, in welchem mittels Teppichen zwei weiche Lager bereitet waren; in der Mitte desselben aber hatte man das Abendessen serviert. Diese Schnelligkeit und das ganze Arrangement ließen vermuten, daß der Dorfälteste nicht zu den armen Bewohnern des Ortes zählte. Sein Sohn saß bei uns, nahm aber nicht teil am Mahl; es war dies eine Respektserweisung, auf welche wir uns etwas einbilden konnten. Die Frau und eine Tochter des Vorstehers bedienten uns.
Zunächst wurde uns Scherbet gereicht. Wir tranken ihn aus sehr hübschen Findschani ferfuri (Porzellanschalen), hier in Kurdistan eine sehr große Seltenheit. Dann erhielten wir Valquapamasi, Weizenbrot in Honig gebraten, wozu der dazu gebotene Findika (Salat aus zarten Pistazienblättern) allerdings nicht recht passen wollte. Nun folgte ein junger Vizihn (Ziegenbraten) mit Reisklößen, die in seiner Brühe schwammen, dazu Bera asch (wörtlich: Mühlsteine. Ein hohes, festes Gebäck in der runden Form der Mühlsteine), die ihrem Namen vollständig entsprachen. Zwei kleine Braten, welche die Fortsetzung bildeten, kamen mir recht appetitlich vor. Sie waren recht schön ‚knusprig‘ gebräunt; ich hielt sie unbedingt für Tauben. Sie waren wirklich delikat, hatten aber doch einen Geschmack, der mir etwas fremd erschien.
„Ist dies Kewuk?“ (Taube) fragte ich den jungen Mann.
„Nein. Es ist Bartschemik“, (Fledermaus) antwortete er.
Hm! Eine recht hübsche gastronomische Überraschung! Jetzt trat der Vorsteher herein. Auf meine Einladung setzte er sich zu uns nieder und nahm teil an dem Mahl, in dessen ganzem Verlauf auf einer blechernen Platte duftendes Mastix brannte. Jetzt, da der Hausherr zugegen war, wurde die Hauptschüssel aufgetragen. Sie enthielt Quapameh, Hammelbraten in saurer Sahne gebacken, und dazu wurde Reis gegeben, der mit Zwiebeln abgesotten war. Als wir zur Genüge davon gekostet hatten, winkte der Vorsteher. Man brachte eine zugedeckte Schüssel, die er mit sehr wichtiger Miene in Empfang nahm.
„Rate, was das ist!“ bat er mich.
„Zeige es!“
„Das ist ein Gericht, welches du nicht kennst. Es ist nur in Kurdistan zu haben, wo es starke und mutige Männer gibt.“
„Du machst mich neugierig!“
„Wer es genießt, dessen Kräfte verdoppeln sich, und er fürchtet sich vor keinem Feind mehr. Rieche einmal!“
Er öffnete den Deckel ein wenig und ließ mich den Duft kosten.
„Diesen Braten gibt es nur in Kurdistan?“ fragte ich.
„Ja.“
„Du irrst; denn ich habe dasselbe Fleisch bereits sehr viele Male gegessen.“
„Wo?“
„Bei den Urus und den andern Völkern, besonders aber in einem Land, das Amerika genannt wird. Dort wächst das Tier viel größer und ist auch viel wilder und gefährlicher als bei euch.“
„Du bist es, der sich irrt; denn nur hier in Kurdistan lebt dieses Tier.“
„Ich bin noch nie in Kurdistan gewesen und erkenne dieses Fleisch doch bereits am Geruch; also muß ich es auch schon in andern Ländern gegessen haben.“
„Was ist es für ein Tier?“
„Es ist Bär. Habe ich recht?“
„Ja wirklich, du kennst es!“ rief er erstaunt.
„Ich kenne es noch besser als du meinst. Ich habe noch nicht in diese Schüssel geblickt und wette dennoch mit dir, daß das Fleisch die Tatze vom Bären ist!“
„Du hast es erraten! Nimm und iß!“
Nun ging es an das Erzählen von Jagdgeschichten. Der Bär ist in Kurdistan allerdings sehr häufig anzutreffen, aber bei weitem nicht so gefährlich wie der große graue Petz von Nordamerika. Zu den gedämpften Bärentatzen gab es ein dickes Mus von gedörrten Birnen und Pflaumen, dem ein gepanzertes Gericht folgte, nämlich gesottene Krebse, zu denen eine Zuspeise gereicht wurde, die mir sehr fremd und kompliziert erschien. Ich erlaubte mir, mich zu erkundigen, und die Frau des Vorstehers gab mir bereitwillig Auskunft:
„Nimm Kürbisse und koche sie zu Brei“, meinte sie. „Tue Zucker
Weitere Kostenlose Bücher