13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
konnten wir uns am besten versichern, wenn wir seine eigenen Leute in Schutz nahmen.
„Du meinst also, daß ich zum Mutesselim gehen soll?“
„Ja, gehe zu ihm und versuche dein Heil noch einmal durch Verhandlung; ich habe mir Mühe gegeben, ihn zu bearbeiten, daß er deine Verwandten vielleicht freiwillig entläßt.“
„Herr, hättest du dies wirklich getan?“
„Ja.“
„Wie hast du es angefangen?“
„Dir dies zu sagen, würde zu weit führen; aber ich werde dir einige Worte aufschreiben, die dir vielleicht von Nutzen sein werden, wenn du meinem Rat Folge leistest.“
„Welchen Rat gibst du mir?“
„Sprich nicht zu ihm von Repressalien. Sage zu ihm, wenn er die Gefangenen nicht heute noch freigäbe, so würdest du sofort zum Mutessarif nach Mossul reiten und ihm sagen, daß die Berwari-Kurden sich erheben werden. Dabei mußt du vorübergehend erwähnen, daß du durch das Gebiet der Dschesidi reiten und mit Ali Bey, ihrem Feldherrn, reden wirst.“
„Herr, das ist zuviel gesagt und auch zuviel gewagt!“
„Tue es dennoch; ich rate es dir und habe meinen Grund dazu. Er hält die Gefangenen wohl meist deshalb so fest, weil er euch Geld abpressen will, welches er sehr nötig brauchte; jetzt aber fällt dieser Grund fort, weil wir ihm ein bedeutendes Geschenk an Piastern gemacht haben.“
„So werde ich zu ihm gehen!“
„Und zwar jetzt gleich. Dann aber kommst du wieder zu mir, damit ich dir meine Botschaft an den Bey sagen kann!“
Ich schrieb auf ein Blatt meines Notizbuches folgende Worte in türkischer Sprache: ‚Erlaube mir, dir das Anliegen dieses Kurden an das Herz zu legen, und vermeide es, den Mutessarif zu erzürnen!‘ Nachdem ich meinen Namen hinzugefügt hatte, übergab ich Dohub diese Zeilen, mit denen er sich eilig entfernte.
Ich hatte die Kühnheit, mich als einflußreiche Persönlichkeit zu fühlen; ich handelte abenteuerlich, das ist wahr; aber der Zufall hatte mich nun einmal, sozusagen, an eine Kletterstange gestellt und mich bis über die Hälfte derselben emporgeschoben; sollte ich wieder herabrutschen und den Preis aufgeben, da es doch nur einer Motion bedurfte, um vollends emporzukommen?
Da kam Halef zurück und brachte eine solche Ladung kalter Speisen und Früchte, als habe er uns für eine Woche zu verproviantieren.
„Sehr reichlich, Hadschi Halef Omar!“ sagte ich.
„Allah akbar; Allah ist groß, Sihdi, aber mein Hunger ist noch größer. Weißt du, daß ich und der kleine Ifra seit heute morgen in Spandareh gar nichts gegessen haben?“
„So eßt! Aber trage vor allen Dingen hier auf, damit mein Gast nicht hungrig von mir geht. Hast du Wein?“
„Nein. Du bist ein echter Gläubiger geworden und willst noch immer den Trank der Ungläubigen genießen! Allah kerihm; ich bin ein Moslem und soll in Amadijah Wein verlangen?“
„So werde ich mir selbst welchen holen. Verstehst du?“
„Nein, Sihdi, das sollst du nicht; aber hier reden viele Leute kurdisch, was ich gar nicht verstehe, und das Türkische kenne ich nur wenig. Ich kann also nur Dinge kaufen, deren Namen ich weiß.“
„Wein heißt türkisch Scharab und kurdisch Scherab; das ist sehr leicht zu merken. Master Lindsay will welchen haben; also geh und hole!“
Er ging. Als sich dabei die Tür öffnete, hörte ich unten die scheltende Stimme Mersinahs, in welche sich die bittende Stimme eines Mannes mischte, und gleich darauf kehrte Halef zurück.
„Sihdi, es ist ein Mann unten, den die Wirtin nicht herauflassen wollte.“
„Wer ist es?“
„Ein Bewohner von Amadijah, dessen Tochter krank ist.“
„Was hat dies mit uns zu tun?“
„Verzeihe, Sihdi! Als ich vorhin Brot kaufte, kam ein Mann gerannt, der mich beinahe über den Haufen riß. Ich fragte ihn, was er so eilig zu laufen habe, und er sagte mir, daß er nach einem Hekim (Arzt) suche, weil seine Tochter ganz plötzlich krank geworden sei und vielleicht sterben müsse. Da riet ich ihm, zu dir zu kommen, wenn er keinen Arzt finden könne, und nun ist er da.“
„Das hast du dumm gemacht, Halef. Du weißt ja, daß ich die kleine Apotheke, aus welcher ich am Nil kurierte, gar nicht mehr besitze!“
„O, Sihdi, du bist ein großer Gelehrter und kannst einen Kranken auch ohne die Körner gesund machen, die du damals gabst.“
„Aber ich bin doch eigentlich kein Arzt!“
„Du kannst alles!“
Was war zu tun? Halef hatte in Erinnerung an die damaligen Bakschisch jedenfalls wieder einmal sehr Großes von mir berichtet, und ich
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