13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
warten braucht!“
Das letzte Wort sprach er bereits unter der Tür; dann war er verschwunden. Der Kommandant machte ein ganz verblüfftes Gesicht. So etwas hatte er nicht erwartet, während ich mir im stillen sagte, daß kein europäischer Ambassadeur korrekter hätte handeln können als dieser junge, einfache Kurde. Es zuckte mir förmlich in den Beinen, ihm nachzueilen, um ihm meine Achtung und Anerkennung auszusprechen. Auch der Mutesselim wollte ihm nachspringen, aber in etwas anderer Absicht.
„Schurke!“ rief er aufspringend. „Ich werde –“
Er besann sich aber doch und blieb stehen. Ich stopfte mir sehr gleichmütig meinen Tschibuk und brannte an.
„Was sagst du dazu, Emir?“ fragte er.
„Daß ich es so kommen sah. Ein Kurde ist kein heuchelnder Grieche und auch kein schmutziger Jude, der sich nicht einmal krümmt, wenn man ihn tritt. Was wird der Bey von Gumri tun, und was wird der Mutessarif sagen!“
„Du wirst es ihm erzählen?“
„Ich werde schweigen, aber er wird die Folgen sehen.“
„Ich lasse diesen Kurden zurückrufen!“
„Er wird nicht kommen.“
„Ich will ihm ja nicht zürnen!“
„Er wird das nicht glauben. Es gibt nur einen einzigen, der ihn bewegen kann, zurückzukehren.“
„Wer ist das?“
„Ich bin es.“
„Du?“
„Ja. Ich bin sein Freund; er wird vielleicht auf meine Stimme hören.“
„Du bist sein Freund? Du kennst ihn?“
„Ich habe ihn in deinem Vorzimmer zum erstenmal gesehen. Aber ich sprach zu ihm wie zu einem Mann, welcher der Bote eines Bey ist, und das hat ihn sicher zu meinem Freund gemacht.“
„Du weißt jedoch nicht, wo er sich befindet!“
„Ich weiß es.“
„Wo ist er? Fort von Amadijah. Sein Pferd stand unten.“
„Er ist in meiner Wohnung, wohin ich ihn eingeladen habe.“
„Du hast ihn eingeladen? Soll er bei dir essen?“
„Ich werde ihn als Gast empfangen; die Hauptsache aber ist, daß ich ihm eine Botschaft an den Bey anzuvertrauen habe.“
Der Mutesselim staunte immer mehr.
„Was für eine Botschaft?“
„Ich denke, du bist ein Diplomat? Frage den Mutessarif!“
„Emir, du sprichst in lauter Rätseln!“
„Deine Weisheit wird sie sehr bald zu lösen wissen, ich will dir aufrichtig sagen, daß du einen Fehler begangen hast, und da du weder eine Lehre noch einen Rat von mir annehmen willst, so erlaube mir wenigstens, diesen Fehler wiedergutzumachen, indem ich dem Bey von Gumri eine sehr friedliche Botschaft sende!“
„Ich darf sie nicht wissen?“
„Ich will es dir im Vertrauen mitteilen, trotzdem es ein diplomatisches Geheimnis ist: Ich habe ihm ein Geschenk zu übermitteln.“
„Ein Geschenk? Von wem?“
„Das darf ich allerdings nicht sagen, aber du kannst es vielleicht erraten, wenn ich dir gestehe, daß der betreffende Beamte und Gebieter, von dem es kommt, im Westen von Amadijah wohnt und sehr wünscht, daß der Bey von Gumri ihm nicht feindlich gesinnt werde.“
„Herr, jetzt sehe ich, daß du wirklich der Vertraute des Mutessarif von Mossul bist; denn von ihm kommt das Geschenk, du magst es nun sagen oder nicht!“
Der Mann war ein Schwachkopf und ganz unfähig für sein Amt. Ich erfuhr später, daß er die Kreatur seines Vorgängers gewesen war, der selbst auch den Sprung vom Nefus Emini in Zilla in Kleinasien zum Mutesselim von Amadijah getan hatte. Mein Besuch bei diesem Kommandanten hatte eine ganz unerwartete, frappante Wendung erhalten. Für was er mich nahm, das konnte ich zwar hören und vermuten, nicht aber sicher behaupten; und doch führte mich der eigentümliche Gang unsers Gespräches dazu, ihm Dinge zu sagen, Dinge wissen oder ahnen zu lassen, von denen er recht wohl auf die Absicht unserer Anwesenheit hätte schließen können. Er hatte wohl kaum das rechte Zeug, ein guter Dorfältester, viel weniger aber Mutesselim zu sein; aber doch dauerte er mich im geheimen, wenn ich an die Verlegenheit dachte, in welche ihn das Gelingen unsers Vorhabens bringen mußte. Die Möglichkeit, ihn dabei zu schonen, wäre mir willkommen gewesen; aber es gab sie ja nicht.
Die Fortsetzung unseres Gespräches wurde aufgeschoben, da man das Essen brachte. Es bestand aus einigen Stücken des geliehenen Hammels und einen mageren Pillau. Der Kommandant langte fleißig zu und vergaß dabei das Sprechen; als er sich aber gesättigt hatte, fragte er:
„Du wirst den Kurden wirklich bei dir treffen?“
„Ja; denn ich glaube, daß er sein Wort hält.“
„Und ihn wieder zu mir
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