13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
soll?“
„Warte nur; er wird kommen!“
„Ich werde dir den Teufel zeigen, der diese Krankheit verschuldet hat. Schau her! Was ist das? Du bist ein Hekim und mußt diese Beeren kennen!“
Ich hielt ihm die Tollkirsche entgegen, und er erschrak.
„Allah sei uns gnädig! Das ist ja die Oelüm kires! (Todeskirsche) Wer diese ißt, der muß sterben, der ist verloren, der kann nicht gerettet werden!“
„Nun, von diesen Früchten hat die Kranke gegessen; das habe ich an ihren Augen gesehen. Wer von ihnen genießt, dessen Augen werden größer; das merke dir! Und nun setze deinen Turban auf und mache dich von hinnen, sonst zwinge ich dich, von diesen Todeskirschen zu genießen, damit du siehst, ob dir eine Sin-ek (Fliege) das Leben retten wird!“
Ich nahm die Kirschen in die Hand und schritt auf ihn zu. Da stülpte er in wahrer Todesangst den Turban auf sein kahlgeschorenes Haupt und nahm sehr eilig und ohne allen Abschied Reißaus.
Die Anwesenden sahen ein, daß ich recht hatte. Auch ohne meine Worte sagte es ihnen die günstige Veränderung, welche mit der Kranken vorgegangen war. Sie ergingen sich in den ehrfurchtsvollsten Dankesbezeigungen, denen ich nur dadurch ein Ende machen konnte, daß ich mich schnell entfernte. Ich hinterließ die Weisung, mich bei einer etwaigen Verschlimmerung gleich holen zu lassen.
Als ich in meiner Wohnung anlangte, traf ich Mersinah, welche soeben mit wütender Gebärde und mit einem großen Löffel in der Hand aus der Küche geschossen kam. Hinter ihr flog ein großer, nasser Hader, der so vortrefflich gezielt war, daß er ihre kleinen, wirren Knackwurstzöpfe erreichte und sich sehr liebevoll um ihr ehrwürdiges Haupt herumschlang. Zugleich ertönte aus dem Innern des auf solche Weise entweihten Heiligtums die Stimme von Hadschi Halef Omar hervor:
„Warte, alter Drache!“ rief er; „du sollst mir noch einmal über meinen guten Kaffee kommen!“
Sie wickelte sich aus der feuchten Umarmung des Hadern heraus und ballte denselben zusammen, jedenfalls um ihn in eine rückgängige Bewegung zu versetzen; da erblickte sie mich.
„O, Emir, wie gut ist es, daß du kommst! Errette mich von diesem wütenden Menschen!“
„Was gibt es denn, o Rose von Amadijah!“
„Er sagte, er hätte in deiner Büchse meinen Kaffee gefunden und in meiner Tüte den deinigen.“
„Das ist wohl auch wahr?“
„Wahr? Ich schwöre es dir bei Ayescha, der Mutter aller Heiligen, daß ich deine Büchse nicht angerührt habe!“
„So, du Großmutter aller Lügnerinnen und Spitzbuben!“ ertönte es aus der Küche. „Du bist nicht über unsern Kaffee geraten, von dem mich zweihundert Drehm (1 ½ Pfund) fünfundzwanzig gute Piaster kosten? Ich werde es dem Sihdi doch beweisen!“
Er kam aus der Küche, in der Rechten die neugekaufte Kaffeebüchse und in der Linken eine große, geöffnete Papiertüte.
„Sihdi, du kennst den Kaffee von Harimah?“
„Du weißt es, daß ich ihn kenne.“
„Suche einmal, wo er ist!“
Ich unterwarf die Büchse und auch die Tüte einer sehr eingehenden und ernsthaften Okularinspektion.
„Er ist in allen beiden, aber mit schlechteren Bohnen und gedörrten Schalen vermischt.“
„Siehst du wohl, Effendi! Ich habe guten Harimah gekauft, und hier diese Mutter und Urgroßmutter eines Räubers und Spitzbuben kocht nur schlechten Kaffee, mit Schalen vermengt. Siehst du nun, daß sie über meine Büchse geraten ist!“
„Sihdi, du bist ein gewaltiger Krieger, ein großer Gelehrter und der weiseste aller Richter“, entgegnete die ‚Myrte‘, indem sie dem Hadschi ihren Hader sehr unternehmend vor der Nase herumschwengte. „Du wirst diesen Vater eines Übeltäters und Sohn eines Verleumders streng bestrafen!“
„Bestrafen?“ rief Halef ganz erstaunt. „Auch noch!“
„Ja“, entschied sie sehr bestimmt; „denn er ist es, der über meine Tüte geraten ist und mich betrogen hat. Nur er allein hat den Kaffee vermischt, um mir und meinem Hause vor deinen Augen Schande zu bereiten!“
„O, du Ausbund aller neununddreißig Laster!“ zürnte Halef ganz ergrimmt; „du willst es wagen, mich, mich zum Diebe zu machen? Wärest du nicht ein Weib, so würde ich dich – – –“
„Halt, Halef, zanke nicht, denn ich bin da und werde ein gerechtes Urteil sprechen! Mersinah, du behauptest, daß dieser Halef Omar die beiden Arten des Kaffees untereinandergemengt hat?“
„Ja, Emir!“
„So hat er das Seinige zu diesem schwierigen Rechtsfall beigetragen.
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