13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
daß es auf das Gesicht der Kranken gebrochen wurde. Der blendende Strahl übte keine Wirkung auf die Iris der Kranken aus.
„Wann hat deine Tochter zum letztenmal gegessen?“ fragte ich.
„Das weiß ich nicht“, antwortete der Vater. „Sie war allein.“
„Wo?“
„Hier.“
„Es ist kein böser Geist in sie gefahren, sondern sie hat ein Gift gegessen oder getrunken!“
„Allah il Allah! Ist das wahr, Herr?“
„Ja.“
„Glaubt es nicht!“ mahnte der Hekim. „Der Teufel ist in ihr.“
„Schweig, alter Narr! Habt ihr Zitronen hier?“
„Nein.“
„Kaffee?“
„Ja.“
„Könnt ihr Galläpfel bekommen?“
„Deren wachsen viel in unsern Wäldern. Wir haben welche im Haus.“
„Macht schnell einen sehr starken, heißen Kaffee fertig und kocht Galläpfel in Wasser. Schickt auch nach Zitronen!“
„Ha, er will den Teufel mit Galläpfeln, Zitronen und Kaffee füttern!“ verwunderte sich der Hekim, indem er vor Entsetzen die Hände zusammenschlug.
Ich steckte in Ermangelung von etwas anderem den Finger in den Mund der Kranken, um sie zum Erbrechen zu reizen, wobei ich den Finger durch den Griff meines Messers vor ihren Zähnen schützte. Nach einiger Mühe gelang das Experiment, wenn auch unter der schmerzlichsten Anstrengung des Mädchens. Ich wiederholte es, doch war die Entleerung nicht hinlänglich.
„Gibt es eine Etschzaga (Apotheke) in der Nähe?“ fragte ich, da ein Vomitiv notwendig war.
„In derselben Gasse.“
„Komm schnell; führe mich!“
Wir gingen. Mein Führer blieb vor einem kleinen Laden stehen.
„Hier wohnt der Attar!“ (Kräuterhändler) sagte er.
Ich trat in die kleine Budika und sah mich von einem Chaos von allerlei nötigen und unnötigen Dingen umgeben. Ranzige Pomaden, Pfeifenrohre, alte vertrocknete Pflaster und Talglichter, Rhabarber und brauner Zucker in einem Kasten, Kaffeebohnen neben Lindenblüten, Pfefferkörner und geschabte Kreide, Sennesblätter in einer Büchse, auf welcher ‚Honig‘ stand; Drahtnägel, Ingwer und Kupfervitriol, Seife, Tabak und Salz, Brillen, Essig, Charpie, Spießglanz, Tinte, Hanfsamen, Gallizenstein, Zwirn, Gummi, Baldrian, Knöpfe und Schnallen, Teer, eingemachte Walnüsse, Teufelsdreck und Feigen. – Alles lag hier friedlich bei-, neben-, unter-, über- und durcheinander, und dabei saß ein schmutziges Männlein, welches grad so aussah, als hab es alle diese Mittel und Ingredienzien soeben innerlich und äußerlich an sich selbst probiert. Welches Unheil hatte dieser Attar wohl bereits angerichtet!
Ich konnte für meine Zwecke nur Kupfervitriol bekommen und nahm noch ein Fläschchen Salmiakgeist mit. Das erste wirkte nach unserer Rückkehr zur Kranken recht befriedigend. Dann gab ich ihr starken Kaffee mit Zitronensaft und dann den Galläpfelaufguß. Hierauf schärfte ich zur Verhütung eines etwaigen Steck- und Schlagflusses ihren Verwandten ein, sie durch Schütteln, Bespritzen mit kaltem Wasser und Riechenlassen an dem Salmiakgeist möglichst am Einschlafen zu verhindern, und versprach baldigst wiederzukommen.
Diese Behandlung war wohl keine ganz richtige, aber ich verstand es nicht besser, und – sie hatte Erfolg. Nun konnte ich, da die augenblickliche Gefahr entfernt zu sein schien, auch an anderes denken. Ich blickte mich im Zimmer genau um und sah ein kleines Körbchen in der Ecke stehen, welches noch ziemlich mit Maulbeeren gefüllt war. Zwischen diesen sah ich mehrere – Tollkirschen liegen.
„Willst du den bösen Geist sehen, der in die Kranke gefahren ist?“ fragte ich den Hekim.
„Einen Geist kann man nicht sehen. Und selbst wenn dies möglich wäre, könntest du ihn mir nicht zeigen, da du nicht an ihn glaubst. Wenn das Mädchen nicht stirbt, so hat mein Amulett geholfen.“
„Hast du nicht gesehen, daß ich es ihr sofort vom Halse nahm? Hier liegt es, ich werde es öffnen.“
„Das darfst du nicht!“ rief er, schnell zugreifend.
„Laß ab, Alter! Meine Hand ist kräftiger als die deinige. Warum darf ich es nicht öffnen?“
„Weil ein Zauber darinnen ist. Du würdest sofort von demselben Geist besessen werden, der in dem Mädchen steckt!“
„Wollen sehen!“
Er wollte es verhindern, aber ich öffnete das viereckig zusammengenähte Stück Kalbleder und – fand darinnen eine tote Fliege.
„Laß dich nicht auslachen mit diesem unschuldigen Tierchen!“ lachte ich, indem ich die Fliege zu Boden fallen ließ und zertrat. „Nun, wo ist dein Geist, der mich befallen
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