13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
Amadijah einbringt, und daß er nicht, wie es doch an der Regel wäre, die Pacht der Steuern hat. Die hat man ihm genommen. Der Sultan hört selten eine Beschwerde an; hier aber hat er hören müssen, denn es war zu himmelschreiend. Er plünderte die Einwohner dermaßen, daß sie auch im Winter im Gebirge blieben und sich nicht in die Stadt zurückwagten. Nun ist der ganze Distrikt verarmt, und der Hunger ist ein steter Gast der Leute geworden. Der Mutesselim braucht immer Geld und borgt, und wer ihm da nicht zu Willen ist, der hat seine Rache zu befürchten. Übrigens ist er ein feiger Mensch, der nur gegen den Schwachen mutig ist. Seine Soldaten hungern und frieren, weil sie weder Speise noch Kleidung erhalten, und ihre guten Gewehre hat er gegen schlechte umgetauscht, um den Profit für sich zu nehmen, und wenn für die paar Kanonen, welche die Festung verteidigen sollen, das Pulver kommt, so verkauft er es an uns, um Geld zu erhalten.“
Das war also eine echt türkische Wirtschaft! Nun brauchte ich mich nicht über die effektvolle Schießübung zu wundern, deren Augen- und Ohrenzeuge ich gewesen war.
„Und wie steht es mit deinem Bey?“ erkundigte ich mich.
„Nicht gut. Es kommen viele Kurden nach der Stadt, entweder um hier einzukaufen oder Lebensmittel zu verkaufen. Für diese hat er eine hohe Steuer eingeführt, die der Bey nicht leiden will. Auch maßt er sich in vielen Fällen eine Gewalt über uns an, die ihm gar nicht gehört. Zwei Kurden haben sich kürzlich in Amadijah Blei und Pulver gekauft, und man verlangte ihnen am Tor eine Steuer dafür ab. Das war noch nie vorgekommen; sie hatten nicht genug Geld zur Bezahlung der Steuer, welche noch höher war als der Preis der so schon teuren Ware, und so wurden sie in das Gefängnis gesteckt. Der Bey verlangte ihre Freiheit und gab zu, daß man das Pulver und Blei konfiszieren möge; aber der Mutesselim ging nicht darauf ein. Er verlangte die konfiszierte Ware, den Zoll, eine Strafsumme und dann auch noch Bezahlung der Untersuchungs- und Gefängniskosten, so daß aus zwanzig Piastern hundertundvierzig geworden sind. Ehe diese nicht bezahlt werden, gibt er die Leute nicht los und rechnet ihnen zehn Piaster für den Tag als Verpflegungsgelder an.“
„In dieser Angelegenheit wolltest du mit ihm reden?“
„Ja.“
„Solltest du die Summe bezahlen?“
„Nein.“
„Nur unterhandeln? Das würde zu nichts führen.“
„Ich soll ihm sagen, daß wir jeden Mann aus Amadijah, der unser Gebiet betritt, gefangennehmen und zurückhalten werden, bis die beiden Männer wieder bei uns sind.“
„Also Repressalien! Das würde keine große Folgen haben, denn ihm ist wohl sehr gleich, ob ein Bewohner Amadijahs euer Gefangener ist oder nicht. Und sodann müßt ihr bedenken, daß aus einem solchen Verfahren sehr leicht bedeutende Konflikte entstehen können. Das beste würde sein, wenn es diesen Männern gelänge, zu entfliehen.“
„Das sagt auch der Bey; aber eine Flucht ist nicht möglich.“
„Warum nicht? Ist die Bewachung so streng?“
„O, die Wächter machen uns keine Sorge. Es ist ein Sergeant mit drei Männern, die wir bald überwältigt hätten; aber das könnte einen Lärm ergeben, der uns gefährlich werden möchte.“
„Gefährlich? Hm!“
„Die Hauptsache aber: es ist ganz unmöglich, in das Gefängnis zu kommen.“
„Warum?“
„Die Mauern sind zu stark, und der Eingang mit zwei Türen verschlossen, die mit starkem Eisen beschlagen sind. Das Gefängnis stößt an den Garten dieses Hauses, wo der Agha der Arnauten wohnt; jedes ungewöhnliche Geräusch kann ihn aufmerksam machen und uns verderblich werden. Wir müssen auf den Gedanken einer Flucht verzichten.“
„Auch wenn ihr einen Mann findet, der bereit ist, euch behilflich zu sein?“
„Wer wäre dies?“
„Ich!“
„Du, Emir? O, das wäre gut! Und wie wollte ich dir danken! Die beiden Männer sind mein Vater und mein Bruder.“
„Wie ist dein Name?“
„Dohub. Meine Mutter ist eine Kurdin von dem Stamme der Dohubi.“
„Ich muß dir sagen, daß ich selbst hier fremd bin und also nicht weiß wie eine Flucht zu bewerkstelligen ist; aber dein Bey wurde mir empfohlen, und auch dir bin ich gewogen. Ich werde bereits morgen forschen, was man in dieser Angelegenheit unternehmen kann.“
Hinter dieser Zusicherung versteckte sich allerdings auch ein kleiner Eigennutz. Es war ja sehr leicht möglich, daß wir der Unterstützung des Bey von Gumri bedurften, und dieser
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