1301 - Eirenes Spur
begann damit, eine Salbe anzurühren. Midaouk, der Meister der Falle, der den Tod der Angreifer herbeigeführt hatte, klapperte mit dem Schnabel. Es klang wie ein höhnisches Gelächter. Und der Priester legte seine Hände salbungsvoll aneinander, blickte andächtig auf den Fluß hinauf und sagte: „Was willst du?
Sie sind den Tod der Helden gestorben. Der Fluß hat ihnen den Weg in eine lange vorherbestimmte Zukunft geöffnet. Wir haben lediglich den Plan ausgeführt, den Wema und Upotovu längst für sie entwickelt hatten."
So konnte man es auch sehen!
Wie praktisch! dachte ich. Auf diese Weise kommen Schuldgefühle gar nicht erst auf.
Man schiebt die Verantwortung entweder der guten Göttin oder dem bösen Gott zu, und damit ist die Angelegenheit erledigt.
Ich stellte die Schaufel zur Seite, als ich mir dessen bewußt wurde, daß ich an einem System werkelte, das früher oder später zur Todesfalle für andere Ussadi werden würde, die weniger glücklich als die Bewohner von Kijito waren, weil die Endfasern des psionischen Netzes ihnen kein Strandgut vor die Füße rollen ließen.
Der Pilz auf meiner Schulter war größer geworden. Sporen rieselten davon herunter und setzten sich auf dem Stoff meines Anzugs fest. Ich hatte Angst, daß weitere Pilze daraus entstehen würden. Ich wachte mehrmals von Alpträumen geplagt auf, weil ich mich im Schlaf vollkommen von Pilzen überwuchert gesehen hatte.
Am vierten Tag nach dem Überfall kam der Priester erneut zu mir, nachdem Fiload mit einem Holzboot zum anderen Ufer des Flusses aufgebrochen war. Der Ussadom-Meister Agaquat begleitete meinen Besucher. Forschend blickte er mich durch seine Brille an.
Die beiden Männer begegneten mir am Ufer des Flusses, nur wenige Meter von der Terrasse entfernt, auf der wenigstens zwanzig der Kinder von Fiload herumtollten.
„Ich komme auf den Vorschlag zurück, den ich dir gemacht habe. Gib mir dein Wissen, und ich gebe dir deine Freiheit", sagte er. „Du solltest mich zur Upotovu-Senke begleiten.
Ich möchte dir die Dinge zeigen, die dir unter Umständen helfen könnten. Und wenn nicht - der Ussadom-Meister hat auch noch einiges zu bieten."
Ich dachte daran, wie Fiload bei dem Angriff der Ussadi auf die Stadt reagiert hatte, aber auch daran, daß ich so gut wie keine Chance hatte, wenn ich passiv blieb.
„Ich möchte die Geräte sehen", erwiderte ich. „Sorgt ihr dafür, daß Fiload nichts davon bemerkt."
Damit war die Entscheidung gefallen. Die beiden Männer steckten die Köpfe zusammen und schnatterten leise miteinander in einer Sprache, die ich nicht verstand. Nervös rückte Agaquat seine Brille zurecht.
„Fiload ist schon zu lange unser Anführer", erklärte der Priester mir. „Es wird Zeit, daß er abgelöst wird."
Mir war es völlig egal, wer Anführer der Ussadi war. Der Priester oder der Ussadom-Meister waren ganz sicher nicht weniger grausam als Fiload, und sie würden ebenso wenig Rücksicht auf mich nehmen wie er, wenn es um ihren Vorteil ging.
Was bedeutete ihnen überhaupt ein Versprechen? Ich wußte es nicht. Ich kannte ihre Mentalität nicht, aber ich konnte mir recht gut vorstellen, daß ein ussadisches Versprechen einer Fremden gegenüber wertlos war.
„Komm", drängte der Priester. „Wir müssen uns beeilen. Wir wissen nicht, wann Fiload zurückkommt."
Wir schritten am Flußufer entlang zur Upotovu-Station hinunter, die am westlichen Rand von Kijito lag. Es war ein düsterer Bau. Mir schien, daß eine gewisse Drohung von ihm ausging, und irgend etwas in mir warnte mich davor, ihn zu betreten. Doch ich wollte meine Gefangenschaft beenden, und ich wollte meine Eltern benachrichtigen. Sie suchten mich nun schon seit Tagen und warteten ganz sicher auf ein Lebenszeichen von mir.
Während ich noch überlegte, wie ich den Priester und den Ussadom-Meister überlisten konnte, vernahm ich die Triebwerksgeräusche eines Raumschiffs. Meine beiden Begleiter blieben stehen. Sie blickten sich an, griffen nach meinen Armen und zogen mich vom Tempel fort.
„Was ist los?" fragte ich.
„Strandguthändler", antwortete Agaquat.
„Ja - und? Was haben wir damit zu tun?"
„Wir müssen zurück", sagte er. „Sofort. Niemand ist wichtiger für uns als die Strandguthändler. Sie nehmen uns ab, was die Götter uns schenken, wofür wir aber nur in den seltensten Fällen Verwendung haben. Sie geben uns die Dinge, die wir dringend benötigen."
„Auch Fiload hört das", fügte der Priester hinzu. „Er wird
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