1301 - Kreuzzug des Bösen
und wieder in den Schein der Flammen. Es lag kein Leben darin. Es wirkte hart und verschlossen. Konstanza war eine hübsche Frau, aber manche Schönheit wird auch von innen gespeist, und das fehlte bei ihr.
Sie erreichte den Boden. Das Pferd trottete davon und blieb irgendwo stehen.
Auch sie stand und schaute nach vorn. Ich sah sie nur im Profil, aber mir fiel auf, dass sich auf ihrem Gesicht nichts abzeichnete.
Kein Gefühl. Weder Freude noch Leid, Trauer oder Schmerzen.
Konstanza blieb einfach nur glatt und erinnerte mich irgendwie an die leicht abstrakte Steinfigur.
Ich dachte noch immer nicht daran, einzugreifen. Auch mein Gefühl hatte sich nicht verändert. Irgendwie fühlte ich mich nicht wirklich in diese Welt hineinversetzt. Ich hatte den Eindruck, in ihr zu sein, aber trotzdem außen vor zu stehen. Das war alles so verkehrt, fernab und trotzdem so realistisch.
»Konstanza…?«
Der Name war so laut ausgesprochen worden, dass er das Prasseln des Feuers übertönte. Jetzt musste die Templerin reagieren. Darauf wartete ich leider vergebens. Sie tat nichts.
»Kannst du mich hören?«
Schweigen.
Rosanna gab nicht auf. »Wir sind es doch, verdammt! Wir! Und wir sind gekommen. Wir haben dich gesucht. Wir haben uns ebenfalls dem großen Baphomet geweiht. Wir haben dich als Denkmal errichtet. Wir haben es mit seiner Kraft gefüllt. Er ist doch der Herr der Welten. Er ist der Mächtige. Er ist der Herrscher. Du bist an seiner Seite. Du hast deine Getreuen in den Kampf geführt. Heute stehen wir an deiner Seite. Wir wollen dein Erbe antreten. Durch die Macht des Baphomet ist es uns gelungen, ein Loch in die Zeiten zu schneiden. Wir sind hier bei dir. In der Zeit, in der du gelebt und deine Kreuzzüge durchgeführt hast. Nimm uns an. Denk daran, dass deine Ziele nicht gestorben sind und in Hunderten von Jahren noch verfolgt werden…«
Rosanna hatte all ihre Gefühle in diese Worte hineingelegt, und ich war gespannt, wie Konstanza reagieren würde. Auf diesem Platz gab es nur sie beide. Die anderen Frauen hielten sich wie Statisten auf einer Bühne im Hintergrund auf. Einige von ihnen sahen aus wie Menschen, die sich nicht mehr bewegen konnten. Sie waren eingefroren und schienen auf einen Befehl zu warten.
Der erfolgte nicht. Konstanza wartete noch. Wieder verstrich Zeit, und die Spannung nahm zu.
Und dann redete sie. Es passierte so plötzlich, dass es selbst mich überraschte. Ich strengte mich wahnsinnig an, um ihre Worte zu verstehen und zog sogar die Tür noch etwas weiter auf.
»Wir sind in den Kampf gezogen. Wir haben in seinem Namen gekämpft. Unser Kreuzzug führte uns tief in das Land hinein. Wir haben dort die Menschen vor die Wahl gestellt, Baphomet zu dienen oder ihrem anderen Gott, den wir hassen. Wer sich nicht für uns entschied, den haben wir getötet. Wir haben die Kirchen zu Tempeln des Baphomet gemacht, weil wir an ihn glauben. Aber wir hatten auch Feinde. Es hat sich herumgesprochen, wer unterwegs ist, und so haben sie ein kleines Heer aufgestellt, das uns jagen und vernichten sollte. Viel Blut ist geflossen. Wir haben uns gestellt, aber sie waren zu viele. Sie haben das Kreuz hoch gehalten und mit ihren Schwertern zugeschlagen. Sie wollten unsere Köpfe, die sie auch bekamen. Sie haben die Köpfe an die Wände ihrer Kirchen genagelt. Jede von uns wollten sie haben, und ich gebe zu, dass sie uns geschlagen haben. Ich weiß, dass auch die Zurückgebliebenen hier im Kloster nicht mehr leben, sonst hätten sie uns begrüßt.«
»Was ist mit deinen Getreuen?«
»Wir sind die Letzten. Aber sie werden uns auch noch fangen, das weiß ich.«
»Nein!«, rief Rosanna, »das darf nicht geschehen. Wir stehen zu dir. Wir werden es verhindern.«
»Es wird nicht gehen. Ihr gehört nicht hierher, versteht ihr das?«
»Aber wir haben dir ein Denkmal gebaut. Wir leben in deinem Sinne, Konstanza.«
»Das Denkmal wird brechen!«
»Das wird es nicht!«, schrie Rosanna. »Baphomets Geist hat sich darin gehalten. Er ist derjenige, der es geweiht hat. In ihm steckt seine Kraft, und sie wird uns helfen.«
Konstanza sagte nichts. Sie blieb stehen, wo sie stand. Hinter ihr hockten die beiden letzten Kämpferinnen aus ihrer Armee am Boden und sahen so erschöpft aus. Sie würden nicht mehr kämpfen können.
Rosanna nickte. Dann ging sie auf die Templerin zu. Nichts hielt sie mehr auf. Als sie stehen blieb, legte sie beide Hände gegen die Rüstung. Sie rückte das Oberteil zurecht, aber es passte nicht
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