1302 - Die Geisterfalle
sie durch mich hindurchschauen.
»Sarah! He, Sarah, kannst du mich hören?«
Das konnte sie bestimmt, aber sie reagierte nicht. Dafür drang ein leises Stöhnen aus ihrem Mund.
Zumindest war sie wach und nicht in irgendeinem Trancezustand gefangen. Ich ließ es nicht darauf beruhen und sprach sie noch mal an. »Wenn du mich hören und sehen kannst, gib mir bitte ein Zeichen, Sarah.«
Sie tat nichts, und ich schüttelte den Kopf.
Das sah auch Jane. Sie meldete sich sofort. »Siehst du, John, mir ist es ebenso ergangen. Ich habe alles versucht, aber sie blockt. Sie redet einfach nicht.«
»Vielleicht kann sie es auch nicht.«
»Glaubst du das?«
»Ich glaube gar nichts. Ich weiß, dass wir sie noch nie so erlebt haben. Sie scheint in der Nacht einen Albtraum erlebt zu haben. Er muss so stark gewesen sein, dass er sie geschockt hat. Sie kann nicht mal darüber reden.«
»Ein Erlebnis«, sagte Jane.
»Ja.«
»Was könnte das gewesen sein?«
Ich zuckte mit den Schultern. Eine Antwort wusste ich natürlich auch nicht und suchte mir praktisch eine zusammen. »Es muss ein sehr persönlicher Grund gewesen sein, Jane. Etwas, das nur sie angeht und nicht uns. Vielleicht jetzt, aber…«
»Hast du nie an einen medizinischen Grund gedacht? Ich denke da an einen leichten Schlaganfall.«
»Das glaube ich nicht.«
»Sie ist immerhin älter.«
»Dann wäre doch etwas gelähmt und…«
»So kommt mir Sarah aber vor«, sagte Jane bestimmt.
»Nein, ich gehe weiterhin davon aus, dass es ein anderer Grund gewesen ist.«
»Okay, wie du meinst. Wir sollten ihn herausfinden, und wir müssen sie zum Reden bringen.«
»Wie denn?«
»Was hast du alles versucht?«
Jane Collins drehte sich auf der Stelle und konnte das Lachen nicht unterdrücken. »Ich will es dir nicht sagen, weil ich dir die Hoffnung nicht rauben möchte. Aber ich stand schon dicht davor, die Nerven zu verlieren. Und wenn wir es gemeinsam nicht schaffen, werden wir einen Arzt rufen müssen. Das sehe ich als die letzte Möglichkeit an.«
»Warte noch ab.«
»Das tue ich ja schon.«
Ich trat wieder näher an die Horror-Oma heran. Ich berührte sie, streichelte die Haut an ihren Wangen und fühlte die Kühle darauf.
Sie war so schlaff und ohne Leben, ebenso wie die Augen. Ich wusste auch nicht, wie ich sie wieder zurück in die normale Welt bringen sollte. Ich tätschelte ihre Wangen und erhoffte mir davon einen Erfolg, doch auch das brachte mich nicht weiter.
»Das habe ich auch getan, John, sie will einfach nicht.«
»Oder kann sie nicht?«
»Auch darüber habe ich nachgedacht. Es ist wirklich alles möglich, aber ich stehe vor einem Rätsel. Das habe ich bei ihr noch nie zuvor erlebt.«
Ich trat wieder einen Schritt zurück und wollte Jane antworten, als sich alles änderte.
Lady Sarah stöhnte auf!
Sofort standen wir unbeweglich. Unsere Augen weiteten sich.
Wir schauten die Horror-Oma an, die jetzt versuchte, sich zu bewegen, denn es blieb nicht allein bei ihrem Aufstöhnen. Sie versuchte, ihre Haltung zu verändern und sich normal in den Sessel zu setzen, damit sie sich mit dem gesamten Rücken an der Lehne abstützen konnte. Es fiel ihr sehr schwer, und uns blieb nichts anderes übrig, als ihr zu helfen. Wir drückten sie zurück und schauten zu, wie Sarah über ihre Augen wischte, als wollte sie etwas vertreiben.
Ich stellte ihr eine Frage. »Kannst du uns sehen?«
»Ja.«
»Möchtest du etwas trinken?«
»Gern.«
»Ich hole Tee«, sagte Jane schnell. »Er ist noch warm.«
»Gut.«
Die Detektivin verschwand. Ich blieb bei Lady Sarah zurück und beobachtete sie. Allmählich kehrte Farbe in ihr Gesicht zurück. Der Ausdruck darin sah für mich so aus, als wäre sie dabei, über etwas nachzudenken, das ihr widerfahren war. Sie konnte noch nichts sagen. Hin und wieder fing ich ihren Blick auf, und dann sah ich auch das Lächeln auf ihren Lippen, das allerdings schnell wieder verschwand.
Jane kam mit der Tasse Tee. Ich nahm sie von der Untertasse und reichte sie Sarah, die sie mit beiden Händen festhielt.
Sie trank noch nicht, sondern schaute mich über die Tasse hinweg an. Einige Male zwinkerte sie mit den Augen, als wollte sie mir irgendetwas mitteilen und sagte dann mit schwacher Stimme: »Ich bin froh, dass du gekommen bist, John.«
»Darüber reden wir später, Sarah. Jetzt tu dir selbst den Gefallen und trink deinen Tee.«
»Ja, danke.«
Auch weiterhin hielt sie die Tasse mit beiden Händen fest und führte sie behutsam gegen
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