131 - Unternehmen 'Crow's Nest'
lebte?
Konnte man wirklich davon ausgehen, dass die Engerlinge die kostbaren Ressourcen ihrer Bunkerklinik vergeudeten, um Staatsfeinde aufzupäppeln? Andererseits war ein gefangener Runner vielleicht auch eine wertvolle Informationsquelle, deren Gesundheit es zu erhalten galt.
Natürlich glaubte Hacker nicht, dass Emmiem freiwillig auspackte, doch andererseits wusste er auch, dass die WCA über Methoden verfügte, die auch den unwilligsten Gefangenen zum Reden brachten… jene Maschinen zum Beispiel, die einem Menschen eine virtuelle Realität vorgaukeln konnten.
»Achtung«, sagte Honeybutt plötzlich. Mr. Hacker blieb stehen. Schon lag seine Hand auf dem Knauf des Drillers. Sie befanden sich in einem schmalen Gang zwischen zwei Gebäuden, der zehn Meter weiter in eine Gasse mündete. Rotes Licht fiel aus Fenstern auf der anderen Straßenseite auf schief getretenes Pflaster.
Zwei Gestalten fast am Ende des Ganges in einer Einfahrt traten vor. In ihren Händen blitzten unterarmlange Klingen.
Das Gesicht des Größeren war so pockennarbig wie eine Kraterlandschaft; der andere war hübsch anzuschauen, hatte aber einen tückischen Blick.
»Kann man denn in dieser beschissenen Stadt keinen Schritt tun, ohne dass einem ein Messer unter die Nase gehalten wird?«, knurrte Hacker.
Natürlich waren Strauchdiebe mit Kurzschwertern keine Gegner für ausgebildete Untergrundkämpfer. Aber woher sollte er wissen, ob nicht noch mehr Stadtratten in der Toreinfahrt lauerten?
Sie konnten sich kein Aufsehen leisten. Nicht jetzt, da jeder Stadtgardist nach ihnen Ausschau hielt.
»He da, ihr beiden«, sagte Pockennarbe und schwang seine Klinge. »Raus mit euren Bax, aber ‘n bissken plötzlich.«
Hacker stierte ihn erbost an. Der Knabe war mehr oder weniger weiß; sein hübscher Kumpel war es vollständig.
»Ich nehm den Großen, du den Kleinen«, raunte Honeybutt ihm von hinten zu.
»Moment noch«, sagte Hacker. Er tat so, als wolle er in eine Hosentasche greifen, doch als die Strauchdiebe schon triumphierend grinsten, hielt er ihnen den Driller unter die Nase »Heute machen wir’s mal andersrum«, sagte er gefährlich leise. »Raus mit euren Bax!«
»Shiit!« Der Hübsche stieß seinem Komplizen in die Rippen. »Es sind Kollegen! «
»Wir sind keine Kollegen«, erwiderte Mr. Hacker so kalt wie ein Eisberg. »Weil wir nämlich wirklich große Dinger drehen und ihr nur Eierdiebe seid!« Er spuckte aggressiv in den Schnee, um seine Verachtung zu demonstrieren. »Ende der Diskussion. Stülpt eure Taschen um, sonst pumpen wir euch voll.« Sein Driller zielte auf Pockennarbes Kopf, und er sah aus den Augenwinkeln, dass Honeybutt nun in der engen Gasse neben im stand und auf den Hübschen anlegte.
Die Stadtratten ließen ihre Klingen fallen, zückten ihre Geldkatzen und warfen sie Hacker vor die Füße. In ihren Augen flackerte Furcht, aber auch Tücke.
»Und jetzt hoppelt ihr rückwärts davon und macht euch rar. Wenn wir in der Gasse noch etwas von euch sehen, gnade euch Kukumotz – oder an welche Gottheit ihr auch glaubt.«
»Isjaschonjut, Mann«, stieß der Hübsche hervor, der wohl auch der intelligentere Teil des räuberischen Duos war.
»Komm, Pavlo, wir machen ’ne Flegge.« Die beiden Räuber wichen langsam zurück. Als sie an der Gasse waren, drehten sie sich um und nahmen die Beine in die Hand.
Mr. Hacker steckte den Driller ein, und Honeybutt bückte sich, um die Barschaft der Banditen aufzuklauben. Als Hacker sich vorbeugte, um über ihre Schulter zu blicken, schlug etwas Hartes auf seine Gerulpelzmütze. Gleich darauf drehten sich Sterne vor seinen Augen und seine Knie knickten ein.
Hacker vernahm einen hellen Schrei. Als er aufschaute, umklammerte jemand seine Kehle. Ein anderer Jemand, der offenbar kurz zuvor ebenfalls aus der finsteren Toreinfahrt hervorgesprungen war, würgte Honeybutts Hals mit einer Hand und versuchte mit der anderen ein Messer in ihre Brust zu stoßen.
Der nächste Schrei kam aus der Kehle des Würgers, da sich Honeybutts Knie offenbar mit Vehemenz in seine Weichteile gegraben hatte.
Nun sah Mr. Hacker die verzerrte Visage seines eigenen Gegners – beziehungsweise seiner Gegnerin, denn es war eine Frau. Obwohl er es verabscheute, Frauen zu verdreschen, war sein Überlebenstrieb so stark, dass er ihr Verhalten nicht gutheißen konnte: Seine Arme schossen hoch und knallten so fest auf ihre Ohren, dass die Frau die Keule fallen ließ, der Hacker seinen rasenden Kopfschmerz
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