132 - Dr. Frankensteins unheimliches Labor
Menschen. Er schien zu schweben und wurde von den Schläuchen und
Elektroden, die in ihn ragten, gehalten. Es war der Kopf eines jungen Mannes,
dessen Augen seine Ankunft aufmerksam verfolgten. Gleich neben diesem
Glaswürfel stand in einem Metallgestell der vollendet schöne Körper einer Frau.
Schlanke Gliedmaßen, schlanke Taille, lange Beine. Die Arme waren angesetzt.
Deutlich waren die roten Narben zu sehen. Der Körper war blutleer und - hatte
keinen Kopf.
In Kunaritschews Ohren rauschte das Blut.
Sein Wahrnehmungsvermögen wurde weiter eingeschränkt. Sein ganzer Körper wurde
schwer wie Blei, und es schien, als würde eine Riesenfaust seine Brust
zusammenpressen. Das Kreuz entglitt seinen Fingern, und er machte noch den
Versuch, den Smith & Wesson Laser zu ziehen. Doch er war schon zu schwach.
Das Betäubungsgift, das der Fremde ihm gespritzt hatte, wirkte auf alle
Bereiche seines Hirns. Die Hände fielen ihm herab, und er rutschte an der rauen
Wand entlang und in die Knie.
„Ich heiße dich bei mir willkommen",
sagte der Fremde im weißen Kittel lächelnd. „Willkommen in Dr. Frankensteins
Labor!“
●
Er erwachte. Ihm brummte der Schädel, und
sein Mund war ausgetrocknet, dass er meinte, einen stundenlangen Marsch durch eine
sonnenglühende Wüste gemacht und seither keinen Tropfen Wasser zu sich genommen
zu haben. Sofort war sein Erinnerungsvermögen wieder da. Er wusste genau, was
sich abgespielt hatte, und erlebte das Auftauchen aus der Bewusstlosigkeit wie
eine neue Geburt. Er lebte! Die unheimliche Hand, die ihn am Atmen gehindert
hatte, war weg. Eine Hand konnte nicht denken. Sie war ein Werkzeug gewesen,
gesteuert von einem unseligen, unsichtbaren Geist, ln dem Augenblick, da durch
den Angegriffenen keine Gegenwehr mehr erfolgte, stellte die Hand ihre
Aktivität ein.
X-RAY-3 war von Dunkelheit umgeben und im
ersten Moment, als er sich rührte, kam es ihm so vor, als befände er sich in
einem Sarg. Diese Enge! Er drehte sich um und merkte, dass der Deckel leicht
nachgab. Da drückte er ihn vollends nach oben und richtete sich benommen auf.
Eine halbe Minute blieb er noch in der großen Truhe sitzen und betastete sein
Gesicht. Es fühlte sich wund und geschwollen an. Das Licht vom Gang draußen
schuf dämmrigen Halbschatten. Mit einem Blick auf das Leuchtzifferblatt seiner
Armbanduhr stellte Larry fest, dass er nicht länger als fünf Minuten ohne
Bewusstsein war.
„Angie?“, fragte er mit belegter Stimme ins
Halbdunkel und kroch aus der Truhe.
Keine Antwort erfolgte. Das Girl musste in
wilder Panik nach dem Auftauchen des makabren Angreifers davongelaufen sein.
Das war verständlich.
X-RAY-3 bückte sich nach seiner Waffe, die
neben einem verstaubten Schrankkoffer lag, und schob sie in den Halfter zurück.
Die Papiere, Zeitungsausschnitte und Briefe, zwischen denen er weich gelegen
hatte, waren beim Verlassen der Truhe zum Teil mit herausgefallen. Es waren
viele Kohle- und Bleistiftzeichnungen darunter, die einen hageren,
dunkelhaarigen Mann in einem Gewölbe zeigten. Bei Kerzenschein aß, trank und
schrieb er. Der Mann trug die Kleidung des vorigen Jahrhunderts, und X- RAY-3
vermutete, dass es sich um Mary Beventows Schützling handelte: Viktor Baron von
Frankenstein. Es war bekannt, dass er aus Deutschland fliehen musste und eine
Zeitlang untertauchte. Unter falschem Namen lebte er auch vorübergehend in
London. Ein Gehetzter, ein Verzweifelter, der schließlich wie einst der
berühmte Dr. Faust beim Herrn der Hölle. Luzifer, Zuflucht suchte. Die Hölle
gab bereitwillig, um was man sie bat. Aber sie verlangte auch einiges, und
Larry, der am eigenen Leib verspürt hatte, was hier geschehen war, glaubte zu
wissen, was als Gegenleistung erfolgte.
Frankenstein hatte seine Seele verpfändet,
war zu einem Außenseiter und Verlorenen geworden. Besessen von seinem Wahn,
etwas Großartiges zu schaffen, hatte er sein eigenes Ich verloren ... Genie und
Wahnsinn reichten oft einander die Hand.
Tief atmete Larry die muffige, verbrauchte
Luft ein. Er lief durch den Korridor die Treppe nach oben und bekam die
Aufregung mit. Alles kümmerte sich - und das war verständlich - um George
Welling, der zu verbluten drohte, wenn der Notarztwagen nicht bald eintraf. Das
furchtbare Ereignis hatte sie alle gezeichnet. Sie begriffen mit einem Mal,
dass es hier im Haus, in ihren eigenen vier Wänden, eine tödliche Gefahr gab.
Die Vergangenheit griff in die Gegenwart ein. Damals, als Frankenstein
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