132 - Dr. Frankensteins unheimliches Labor
Bote des Satans kam! Ein Dämon ... Ich habe den
ätzenden Schwefelgeruch noch in der Nase. Ich spürte den ganzen Tag ... über
schon, dass heute etwas geschehen würde. Frankenstein wollte ... neu
experimentieren ... Er war nicht... der Mensch, der einfach eine Sache ruhen
... lassen konnte ... Ich verließ mein Schlafzimmer ... Alles liegt in tiefer Stille
und Dunkelheit.“
Von einem Augenblick zum andern wechselte sie
die Zeit. Plötzlich war das, was sie erzählte, nicht mehr die Vergangenheit. Es
war Gegenwart...
Die Zeit von damals stand so intensiv vor
ihr, dass sie meinte, sich darin zu bewegen und noch mal alles mitzuerleben.
Sie war in diesen Sekunden, da ihr Bewusstsein weit weg war, nicht mehr Angie
Welling, sondern nur noch Mary Beventow.
Und als Mary Beventow berichtete sie: ich muss
zu ihm ... Er begeht in dieser Nacht eine Dummheit.“ Ihr Atem wurde schneller.
Auf ihrer feuchten Stirn schimmerten zusätzlich dicke Schweißperlen, die aus
ihren Poren quollen. „Er darf es nicht tun! Er weiß, dass ich ihn liebe ...
Aber da ist eine andere Frau ... Charlotte ... nennt er sie ... ist sie schwer
krank? Lebt sie überhaupt noch? Was von ihr hat er zurückgelassen in
Deutschland? Ihr Grab? Ich weiß es nicht. Er hat von mir verlangt, Geld zu
stehlen und für ihn einige Besorgungen zu machen. Beides habe ich getan, gegen
meinen Willen. Ich schäme mich zu Tode! Was würden nur meine Herrschaften von
mir denken, wenn sie es erfuhren? Sie sind so gut zu mir - und sie vertrauen
mir. Ich werde zurückbringen, was ich genommen habe. Ja, das will ich tun ...
eines Tages. Viktor ist gut - und doch so grausam! Er sagt, dass er mich liebt.
Ist es die Wahrheit? Ist es nicht vielmehr so, dass er mir nur sagt, was ich
von ihm hören will? Weil er mich braucht? Es ist mir gleich. Ich will ihn bei
mir behalten und ihm helfen. Koste es, was es wolle. Ich bin blind vor Liebe,
aber die Liebe, sagt man, überwindet und erduldet und - vermag alles!
Vielleicht kann ich ihn von dem unheimlichen Weg, den er einschlagen will,
abbringen?“
Ihr Körper begann zu beben. Sie geriet in
heftige Erregung, auch ihre Stimme klang anders als zuvor. Es war die dunkle,
samtweiche Stimme einer reifen Frau. Nicht mehr so hell und zart wie die
Angies.
„Du darfst die Hölle nicht beschwören,
Viktor!“ warnte sie ihn. „Tu’s nicht ... Sie wird dich nie mehr loslassen!“ Ihr
Gesichtsausdruck veränderte sich, und nicht bloß der. Auch ihre Stimme änderte
sich noch mal. Jetzt - war es die Stimme eines Mannes, die aus ihrem Mund
sprach. Die Stimme Viktor Baron von Frankenstein!
●
Auf der Bühne des Soho-Theaters verzog sich
der Rauch. Auf den breiten Brettern, die die Welt bedeuten, wie man sagt,
standen die gleichen Akteure. Da war Petrelli, der Magier, der mit großer Geste
die Arme ausbreitete Da war die charmante Assistentin, die den Zylinder hielt,
in dem sich die Fragen von rund fünfzig Zuschauern befanden. Da waren die drei
Versuchspersonen, die sich für die erste Astralreise gemeldet hatten. Nur einer
fehlte. Der große, breitschultrige Mann mit dem roten Vollbart und dem
zerzausten Haar.
„So befreit man sich von seinen
Quälgeistern", verkündete Petrelli. „Leute, die einem auf den Nerven
herumtrampeln, versetzt man kurzerhand an einen Ort, von wo sie nicht mehr
zurückkommen können.“
Die Zuschauer klatschten. Sie hielten es zum
Programm gehörig. Der Mann mit dem roten Haar und dem Vollbart tauchte nicht
wieder auf, und Petrelli sprach auch kein Wort mehr von ihm. Er wandte sich
seinen drei Personen zu. Mable fühlte sich etwas flau im Magen. Irritiert
blickte sie sich um und erwartete, dass Kunaritschew im nächsten Moment
irgendwo von hinten her wieder auf die Bühne käme, wie das manchmal bei solchen
Zauber-Shows üblich war. Aber bei Petrelli war alles anders. Auch das, was sie
zu sehen bekam, als sie ihren Blick in den Halbschatten hinter sich richtete.
Zwischen den Falten des schweren Vorhangs, der die Bühne hinten begrenzte,
tauchte eine Gestalt auf. Mable blieb das Herz fast stehen: Die Gestalt war
jung, bleich, ein wenig verwahrlost und kam lautlos wie ein Schatten näher -
direkt auf sie zu. Mable schluckte heftig und wollte etwas sagen, aber sie
brachte keinen Ton über die Lippen. Sie hatte die Erscheinung schon zum zweiten
Mal heute Abend. Sie sah - einen Toten!
Robert Harton! Und er sprach zu ihr. Deutlich
hörte sie seine Stimme. „Tu’s nicht, Mable ... verlass die Bühne ...
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