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132 - Entführt!

132 - Entführt!

Titel: 132 - Entführt! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Montillon
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aufmerksam wurde, war ihr egal. Sie musste nur schnell genug sein, und dazu rechnete sie sich gute Chancen aus.
    Das Fenster sprang auf, und Honeybutt rieb sich kurz die schmerzende Schulter, bevor sie sich durch die entstandene Öffnung ins Freie schwang. Wie sie bereits aus der Luft gesehen hatte, stand die Hütte direkt an der Wassergrenze der kleinen Insel. Draußen kam Honeybutt auf dem Eis des zugefrorenen Sees zu stehen. Unsicher, ob es sie tragen würde, beschloss sie, sich am Rand der Hütte entlang auf festen Boden vorzuarbeiten. Es musste ohnedies ihr Ziel sein, die Flugandrone zu erreichen.
    Es war nicht einfach, auf dem Eis voran zu kommen.
    Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den anderen. Die Eisdecke schien nicht besonders dick zu sein. Plötzlich knirschte es bedrohlich, und um ihre Füße herum entstand ein sich rasch vergrößerndes verästeltes Netz von kleinen Sprüngen und Rissen.
    Honeybutt stieß einen Fluch aus und wollte sich rasch weiter bewegen, doch es war bereits zu spät. Krachend gab das Eis nach, und sie brach ein.
    Sie hatte so nahe am Ufer mit keiner großen Wassertiefe gerechnet; umso erschrockener war sie, als sie vollständig versank.
    Die Eiseskälte des Wassers traf Honeybutt Hardy wie ein Schock und lähmte sie für einen Moment. In letzter Sekunde schloss sie den Mund, sonst hätte sie Wasser geschluckt.
    Sie wusste, dass sie schnellstmöglich hier heraus musste.
    Bei diesen Wassertemperaturen kühlte der menschliche Körper in Sekunden aus. Sie begann mit hastigen Schwimmbewegungen und brachte ihren Kopf über die Wasseroberfläche.
    An der Bretterwand der Hütte fand sie keinen Halt, und das Eis bot auch keine Möglichkeit, sich aufs Trockene zu ziehen, denn es war in weitem Umkreis in kleine Schollen zerbrochen.
    Der Wind traf ihr Gesicht wie mit tausend Nadeln. Ihre Lungen schienen sich unter der Kälte zusammenzuziehen, und ihr ganzer Körper fühlte sich mittlerweile taub an. Erst jetzt begriff Honeybutt, dass es um ihr Leben ging. Sie musste sich zur Besonnenheit mahnen, um nicht in Panik zu verfallen.
    Nur die Ruhe – so schnell stirbt man nicht. Das Ufer ist nicht weit entfernt; nur ein paar Meter. Das schaffst du!
    Doch als hätte sich das Schicksal vollends gegen sie verschworen, sah sie plötzlich einen monströsen Schatten unter dem Eis, der auf sie zukam. Honeybutt schrie auf.
    Flossen durchschnitten die Wasseroberfläche nur drei Meter von ihr entfernt, und für eine Sekunde ragten zwei kleine, wie tot starrende Stielaugen ins Freie. Und dann schoss ein geöffnetes Maul, in dem sich eine Doppelreihe kleiner spitzer Zähne befand, auf sie zu…
    ***
    Sie versteht. Das, was auf sie einströmt, kann geordnet, gedeutet werden.
    Dann, in Sinn verwandelt, verliert es seine Gefahr, seine verstörende, überwältigende, vernichtende Kraft. Bedeutungen offenbaren sich. So lernt sie, dass die neue Empfindung Hören genannt wird.
    Sie fühlt nicht mehr nur, sondern sie hört auch. Und das, was sie hört, will ihr etwas mitteilen, das weiß sie.
    Der Bedeutung folgt das Verstehen. Und mit dem Verstehen erschließen sich neue Bedeutungen. Es ist, als tauche sie ein in eine neue Welt, die über das hinaus geht, was sie bislang fühlt, hört, erlebt…
    Ein neues Universum öffnet sich ihr, eine unendliche Menge neuer Empfindungen und Eindrücke…
    Und doch weiß sie, ohne dass ihr klar wird, wieso sie es weiß, dass damit noch nicht das Ende des Zyklus erreicht ist.
    ***
    Aruula saß auf dem Boden in Shachars Hütte. »Nun kann niemand mithören, was du mir sagst«, ermunterte sie ihn.
    Er wich ihrem Blick aus. »Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll…«
    Aruula zwang sich zur Geduld, denn sie wusste, dass es für den Kleinwüchsigen nicht leicht war.
    Und plötzlich platzte es aus dem Mann heraus: »Eine Schwangerschaft ist ein seltenes und kostbares Geschenk der Götter! Ich verstehe einfach nicht, wie so etwas geschehen konnte!« Er sprang von seinem Stuhl auf und lief unruhig im Zimmer auf und ab.
    »Was ist geschehen?«, fragte Aruula.
    »Die Götter allein verstehen, warum es nur noch so wenig Fruchtbarkeit unter uns gibt! Früher war alles anders.« Er jammerte im Gedenken an die gute alte Zeit vor sich hin. »Mir war es nie gegönnt, einen Nachkommen zu zeugen. Was meinst du, Aruula, haben die Götter mich verstoßen?« Er sah sie aus weit geöffneten Augen an.
    Aruula fühlte plötzlich Mitleid mit ihm. Was mochte der Grund für den spärlichen Nachwuchs sein?

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