1328 - Die Harmonie des Todes
Handlungsweise ist verständlich und legitim, Graucum."
Zwei Stunden später allerdings wurden aufgeregte Gardisten vorgelassen. Sie meldeten, der Gesuchte sei spurlos verschwunden und nicht aufzuspüren.
„Vielleicht ein Zufall", sang Graucum im tiefsten Baß. Er gab einen spontanen Paukenschlag der Empörung von sich. „Dabei wäre es so wichtig gewesen ... - Nun gut.
Du weißt, daß diese Panne ein schlechtes Licht auf dich wirft, Salaam Siin. Hoffen wir auf ein gutes Finale morgen."
„Ja", summte Salaam Siin. „Das hoffe ich ebenfalls."
Wie durch Zufall kreuzte sein Blick den Kaleng Proos; und er begann fast zu bereuen, daß er den Plan des anderen zunichte gemacht hatte.
*
Am nächsten Morgen waren in der Großen Arena von Mardakaan mehr als einhundertfünfzigtausend Ophaler versammelt. Sie alle wollten dem Finale zwischen der Belku namtal und Salaam Siins Nambicu ara wada beiwohnen, und noch einmal die dreifache Anzahl hatte keinen Einlaß gefunden. Einseitig gepolte Energieschirme ließen zwar akustische und psionische Impulse zu den Rängen dringen, waren umgekehrt allerdings „dicht". Für Salaam Siins Augenknospen bot die scheinbar schweigende Menge ein erschreckend surreales Bild.
Er sah auf der anderen Seite des Amphitheaters, kaum zwanzig Meter entfernt, die Mitglieder der Belku namtal, die unter Kaleng Proos Leitung ihre Plätze einnahmen. Auch seine eigenen Sänger waren bald einsatzbereit - das erkannte Salaam Siin mit einem raschen Seitenblick. Einen kurzen Moment lang hatte er Blickkontakt mit Kaleng Proo, doch statt Niedergeschlagenheit sah er in den Augen des anderen etwas, das er nicht zu deuten wußte. Aber egal... Das Komplott war aufgeflogen. Im fairen Wettstreit würde sich die Nambicu ara wada der Belku namtal einmal mehr überlegen zeigen.
„Die beiden Singlehrer zu mir!" rief der Vorsitzende der Jury, die im Großen Finale aus den erfahrensten Sängern von Mardakaan bestand.
Salaam Siin und Kaleng Proo fanden sich gemeinsam an der gekennzeichneten Zone in der Mitte der Arena ein.
„Es ist Zeit für die Losung." Der Vorsitzende, ein Ophaler mit grünlich schillernden Epauletten rings um den Membrankranz, ordnete beiden Singlehrern eine Losmarkenseite zu. Anschließend schleuderte er den münzähnlichen Gegenstand in die Luft und ließ ihn vor sich zu Boden fallen.
„Kaleng Proo legt die Reihenfolge fest", sang er.
Der Leiter der Belku namtal überlegte nicht lange. „Wir werden beginnen, und wir werden siegen!" Ein System von Richtmikrophonen übertrug seine fast unmodulierte Stimme bis in die hintersten Ränge.
Salaam Siin fühlte, wie die Erregung der Zuschauer trotz des Schutzschirms langsam auf ihn übersprang, wie mit einemmal sein Puls schneller schlug und die Membranen ungeduldig zu kribbeln begannen. Es war soweit! Nun konnte das Finale endgültig beginnen. Als wolle er sich beruhigen, strichen vier seiner zwölf Greifbüschel über den borkigen, signalroten Rumpf. Heute war einer der wenigen Tage der letzten Jahre, da er die Netzkombination nicht angelegt hatte.
Welch ein Glück, daß Kaleng Proos Intrige nun harmlos verpuffen würde ...
„Warten wir ab, ob er recht behält!" rief Salaam Siin zuversichtlich, als er bei seinen Schülern angelangt war. „Unsere Chance kommt nach der Belku namtal. Das hat ebenfalls Vorteile!"
Der Vorsitzende der Jury hatte gleichzeitig seinen Platz bei den sechs übrigen Juroren eingenommen. Zwei Techniker aktivierten den obligatorischen Antigravschlitten, der mit Meßgeräten aus der Höhe eventuell Entscheidungshilfe geben sollte.
Salaam Siin sah, daß Kaleng Proo tief Luft holte. Zunächst drang kein hörbarer Ton aus dessen Membrankranz hervor, dann aber ertönte eine leise, komplizierte Melodie. Der Singlehrer der Belku namtal gab mit zwei Tentakelarmen seinen Schülern das Einsatzzeichen - und aus der Melodie wurde ein suggestiv druckvoller Kanon. Immer häufiger tauchten in der musikalischen Komposition neue Verästelungen auf. Salaam Siin erkannte, daß Kaleng Proo und die Sänger der Belku namtal eine völlig neue Chromatik erstmals zum Einsatz brachten, wobei ein psionisch Unbegabter bereits nach den ersten Tönen den eigenen Willen verloren hätte.
Aber da waren auch kleine Mängel, die nur das geschulte Ohr heraushörte ... - Mängel, die an sich nicht hätten auftauchen dürfen. Salaam Siin überlegte, weshalb es dazu kam.
Einer der Töne, eine sonderbar punktierte Note, stach plötzlich in seinen
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