1335 - Mandragoros Liebeshexe
darauf.
Dass die Hütte öfter angefahren sein musste, das sah ich an den Reifenspuren. Hier hatten sie sich zwar nicht in den Boden gedrückt, aber Spuren im Gras hinterlassen. Anhand der flachen Bahnen war zu verfolgen, welchen Weg die Fahrzeuge genommen hatten.
Eine recht stabile Holztür hielt mich auf.
Das Schloss und die Klinke hatten wegen der Witterung eine leichte Patina angesetzt. Ich probierte es einfach. Mehr als schief gehen konnte es nicht. Es ging nicht schief, denn zu meiner großen Überraschung gelang es mir, die Tür zu öffnen.
Sie hinterließ eine nicht eben für die Ohren taugliche Musik, als sie nach innen aufschwang und mir den Blick in die Hütte freigab.
Kein Flur, keine Diele, ich schaute direkt in einen großen Raum hinein, aus dem mir der Holzgeruch entgegenströmte, als wäre das Material noch sehr frisch.
Ja, so musste eine typische Jagdhütte eben aussehen. Geweihe hingen an den Wänden. Sie rahmten einige Bilder ein, die entsprechende Motive zeigten.
Bilder von der Jagd mit lebenden und auch toten Tieren. Auf einem standen die Jäger in der typischen Siegerpose und freuten sich über den Sieg der Starken über die Schwachen, was wirklich keine große Kunst war.
Ein rustikaler Tisch. Sofas, die auf gedrechselten Füßen standen, auch zwei Sessel und Stühle, die zusammengeklappt an der Wand standen. Durch die kleinen Fenster fiel genügend Licht. Es gab sie nicht nur an der Vorderseite, sondern auch an der gegenüber.
Alles war normal…
Ich sah nichts Verdächtiges. Auch keine Spuren dieser grässlichen Taten mehr, aber ich traute dem Frieden nicht, weil sich wieder mein Gefühl meldete.
Irgendwas stimmte hier nicht.
Meine Waffe zog ich nicht, als ich einen langen Schritt nach vorn ging und die Hütte nun richtig betreten hatte. Ich ging noch einen zweiten und vernahm dann links und schräg hinter mir ein scharfes Geräusch, das wie ein heftiger Atemzug klang.
Eine Frauenstimme meldete sich. Und was sie sagte, gefiel mir überhaupt nicht.
»Eine falsche Bewegung, und ich schieße Ihnen eine Kugel durch den Kopf!«
***
Das war nicht nett. Ich spreizte sicherheitshalber die Arme ab und dachte, weil ich eine Frauenstimme gehört hatte, sofort an die Blonde aus dem Wald.
Leider konnte ich sie nicht sehen. Es befand sich auch kein Spiegel an der Wand, der mir ein Bild wiedergegeben hätte. So war ich gezwungen, erst mal abzuwarten.
»Gehen Sie einen Schritt weiter nach vorn und drehen Sie sich nicht um!«
»Sehr wohl, Madam!«
»Das ist nicht witzig!«
Humor schien sie nicht zu haben. Aber welcher Humorist bedrohte schon andere Menschen mit der Waffe? Ich kannte keinen, kam ihrer Aufforderung aber nach.
Ich blieb stehen, die Arme noch immer vom Körper abgespreizt.
Ich hörte, wie die Tür zufiel und vernahm wieder die Stimme der Frau.
»Jetzt können Sie sich umdrehen!«
Das tat ich. Allerdings bewegte ich mich sehr langsam. Dann stand ich vor ihr und schaute sie an.
Das Gewehr in ihren Händen übersah ich, weil ich mich auf sie selbst konzentrierte.
Nein, das war nicht die Blonde aus dem Wald. Diese Frau sah völlig anders aus. Sie hatte dunkle Haare, die zu zahlreichen Locken gedreht waren, wobei diese noch feucht glänzten, weil man sie wohl mit Haarlack besprüht hatte. Ein rundes Gesicht, leidlich hübsch. Ein kleiner roter Mund, kräftig geschminkt, ein energisches Kinn und eine Stirn, die deshalb nur klein aussah, weil einige Strähnen in sie hineinfielen. Sehr schön geschwungene Brauen ließen meinen Blick auf den dunklen Augen ruhen, die mich allerdings sehr kalt anschauten.
»Und nun?«, fragte ich.
»Sind Sie bewaffnet?«
Mit dieser Frage hatte ich nicht gerechnet. Ich trieb kein falsches Spiel, sondern nickte.
Die Augen verengten sich für einen Moment, aber die Lady blieb verdammt cool.
»Dann holen Sie Ihre Waffe behutsam hervor, und denken Sie nicht mal daran, sie zu benutzen.«
»Keine Sorge.«
»Die Sorge müssten Sie haben.«
So ganz wollte ich das nicht unterschreiben, aber die Unbekannte hatte Recht. Ich befand mich in einer sehr schlechten Position.
Wenn ich sie mir anschaute und dabei sah, wie sie das Gewehr hielt, dann konnte ich mir schon vorstellen, dass sie damit auch umgehen konnte, denn ihr rechter Zeigefinger lag am Abzug.
Ich hatte einmal in den sauren Apfel gebissen, und so blieb mir nichts anderes übrig, als meine Beretta hervorzuholen, was ich wirklich mit »spitzen« Fingern tat.
Die Frau blieb unbeweglich stehen.
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