1335 - Mandragoros Liebeshexe
Mit den Blicken verfolgte sie jede meiner Bewegungen und behielt vor allen Dingen meine rechte Hand im Blick.
Die Beretta hielt ich zwischen Daumen und Zeigefinger. Dann schlenkerte ich meine Hand zur Seite, ließ die Waffe los, und so landete sie zielsicher auf der Sitzfläche eines Sessels, wo sie auch liegen blieb.
Ich hatte bewusst keine Fragen und mich auch nicht störrisch gestellt. Eine Provokation brachte mir nichts ein. Zudem war ich der Meinung, keine Doppelmörderin vor mir zu sehen, aber ich ging schon davon aus, dass diese Person ein Geheimnis in sich barg, das möglicherweise mit dem neuen Fall zu tun hatte.
»Zufrieden?«, fragte ich.
Die Frau mit den dunklen Haaren entspannte sich leicht. »Nicht ganz, Mister.«
»Was ist Ihr Problem?«
Vor der Antwort zuckten ihre Lippen kurz. Noch immer traf mich ihr bohrender Blick. »Ich frage mich wirklich, was Sie hier in der Hütte zu suchen haben.«
»Die Frage ist berechtigt, Madam, aber ich gebe Sie ebenso gern an Sie zurück.«
»Ich stehe hier am längeren Hebel!«
»Man sieht es!«
Sie hob den Gewehrlauf leicht an. »Also, Mister, was haben Sie hier zu suchen?«
Ich lächelte ihr spöttisch zu. »Halten Sie mich wirklich für einen Killer?«
Wieder verengte sie die Augen. »Verdammt noch mal, wie kommen Sie denn darauf?«
»Hier ist ein Mord geschehen.«
»Stimmt.«
Ich fuhr fort. »Und es gibt Menschen, die glauben noch immer, dass der Täter an den Ort seines Verbrechens zurückkehrt. Es würde mich nicht wundern, wenn Sie zu dieser Kategorie gehören.«
Ich hatte bemerkt, dass sie meine Antworten schon vorher etwas verunsichert hatten. Jetzt verstärkte sich das noch. Es war ihr anzusehen, dass sie nicht wusste, wie sie mich einschätzen sollte.
Aber sie überspielte es und fragte: »Was soll das ganze Gerede, verdammt?«
»Wollen Sie nicht wissen, wer ich bin?«
»Klar.«
»Sehr gut.« Ich lächelte jetzt. »Darf ich vielleicht meinen Ausweis hervorholen?«
»Welchen Ausweis?«
»Einen Dienstausweis«, sagte ich. »Zum Beispiel den, der mich als Scotland-Yard-Mann ausweist.«
Die Frau, deren Namen ich nicht mal kannte, dachte etwas länger nach. Ihre Unsicherheit stieg dabei. Sie wusste nicht mal, wohin sie richtig schauen sollte.
»Ja oder nein?«
»Zeigen Sie ihn mir!«
Ich bewegte meinen Arm langsam. Aber die Frau hatte sich schon entspannt und atmete auf, als sie meinen Ausweis sah. Da ließ sie auch das Gewehr sinken.
»Da alles wieder normal geworden ist«, sagte ich, »darf ich mich Ihnen vorstellen? Mein Name ist John Sinclair, falls Sie ihn nicht schon auf dem Ausweis gelesen haben.«
»Okay, Mr. Sinclair, es ist alles in Ordnung. Tut mir Leid, dass ich Sie für einen Einbrecher oder sogar einen Täter gehalten habe. Aber man kann nie wissen.«
»Das stimmt. Darf ich trotzdem fragen, wer Sie sind? Ich meine, Sie werden sicherlich einen Grund gehabt haben, diese Hütte hier zu betreten.«
»Den gibt es.«
»Und?«
Während sie über die Antwort nachdachte, nahm ich meine Beretta an mich und steckte sie weg.
»Ich bin gekommen, weil ich sehen wollte, wo mein Mann umgebracht wurde. Mein Name ist Gerda Simmons.«
Mit diesem Geständnis hatte sich mich wirklich überrascht. Sie sah es mir an und fragte: »Glauben Sie mir nicht?«
»Doch, schon. Ich bewundere nur Ihren Mut. Der Killer könnte Sie ja beobachtet haben…«
»Damit habe ich gerechnet. Darauf habe ich sogar gewartet. Man muss davon ausgehen, dass der Täter hin und wieder an den Ort seiner Tat zurückkehrt. Das jedenfalls sagt ein altes Sprichwort, und ich denke, dass viel Wahres daran ist.«
»Es ist gefährlich.«
»Ich weiß. Aber glauben Sie mir, Mr. Sinclair, ich kann mich verteidigen. Ich gehöre zwar nicht zum Jagdclub direkt, aber ich habe das Schießen gelernt. Und ich schwöre Ihnen, ich hätte auf den Killer geschossen.« Ihre Augen blitzten jetzt, als wollte sie mir beweisen, dass sie es tatsächlich vorgehabt hatte.
»Das glaube ich Ihnen sogar. Zumindest den Vorsatz. Aber es ist immer noch etwas anderes, ob Sie auf einen Menschen schießen oder auf ein Tier.«
»Klar. Nur hätten Sie meinen Mann sehen müssen. Das war einfach grauenhaft. Ich habe ihn sehen müssen. Ich sah, wie man ihn ums Leben gebracht hat. Es war grauenhaft. Hier lag eine Leiche mit einem zerstörten Kopf. Die Waffe ist in seinen Mund hineingerammt worden und hat den Kopf von innen her zerstört.«
Gerda Simmons gab sich aufgewühlt. Beide Wangen nahmen eine
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