134 - Die Entscheidung des Generals
erst hin, sondern flog mitten in den Tumult hinein. Im nächsten Moment erkannte er, warum der Stammesfürst noch immer nicht ausgeschaltet war: Whala hielt Blair am linken Arm gepackt und schlug mit der Faust auf sie ein. Er hatte wohl erkannt, dass sie ihn und seine Truppen in eine Falle geführt hatte. Die Nosfera versuchte sich zu befreien – vergeblich. Ihre Kapuze war verrutscht, Sonnenlicht fiel auf ihre bleiche Haut.
Aiko jagte direkt auf die beiden zu, denn er hatte eine Entscheidung gefällt, nach alle Regeln der Logik.
Bei seinem Auftauchen konzentrierten die RoCops ihr Feuer. Sie schufen ein Geflecht aus Strahlen, das ihm den Weg ebnete. Die Menge lichtete sich ohnehin, die ersten Steppenreiter flohen. Die moderne Feuerkraft war ihnen überlegen, und nur wenn sie sich verstreuten, hatten sie eine Überlebenschance.
Als er nahe genug heran war, richtete Aiko das Bordgeschütz aus und gab einen einzigen, eiskalt gezielten Schuss ab, der Whala niederstreckte. Von allen Seiten hagelten Pfeile und Speere auf ihn ein. Er versuchte sich mit seinen Plysteroxarmen zu schützen, trotzdem erhielt er schmerzhafte Treffer.
Doch die Wut der Angreifer flaute jetzt spürbar ab. Noch hatte die Botschaft nicht die Runde gemacht, dass der Anführer tot war, aber es konnte sich nur noch um Minuten handeln, bis die Schlachtordnung in eine wilde Flucht überging.
Endlich erreichte Aiko die Nosfera. Er stoppte ab, direkt neben Blair. Auf ihrem Gesicht zeichnete sich Erleichterung ab.
»Los, spring rein!«, forderte er, und sie ließ es sich nicht zweimal sagen. Er jagte weiter, einfach geradeaus.
»Ich hatte schon alle Hoffnungen aufgegeben«, rief sie ihm von hinten zu.
»Nur keine Sorge«, antwortete er. »Ein Mann, der seine Versprechen nicht hält, würde jede gesellschaftliche Akzeptanz verlieren. Wenn man das mit berücksichtigt, ist es sogar logisch, das eigene Leben zu riskieren.«
»Was?« Ihre Stimme war pure Verständnislosigkeit.
»Ich bin dein Freund«, wiederholte er, »du kannst dich immer auf mich verlassen.«
Sie ließen den Pulk der in Panik verfallenden Steppenreiter hinter sich. Die meisten wären entkommen…
... wenn in diesem Augenblick nicht das wohlbekannte Brummen der Bellitflügel erklungen wäre, nur tausendfach verstärkt.
In ganz Süd-El’ay hatten sich die Mechicos zusammengerottet, um ihre Brüder zu rächen. Nun fielen sie über die Steppenreiter her.
Atemberaubende Luftkämpfe entstanden: Frekkeuscher gegen Bellits. Doch im Großen und Ganzen mussten sich die Springer den Fliegern geschlagen geben.
Aiko beobachtete die Schlacht aus sicherer Entfernung. Ihn interessierte nur die Eine, die er gerettet hatte und die ihm bewies, dass er auch mit kybernetischem Verstand menschliche Entscheidungen treffen konnte.
Sein letzter Blick galt Corporal Carson, der aus dem Großraumer getreten war, einen Arm Besitz ergreifend um die sichtlich verwirrte Brina gelegt.
Wer Aiko jetzt sah, in diesem Moment, der konnte es selbst erleben – dass Androiden aus vollem Herzen grinsen konnten.
***
Epilog
General Arthur Crow lehnte sich zufrieden zurück, nachdem ihm Corporal Carson über ISS-Funk Bericht erstattet hatte. Ein feines Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
Na also, lief doch alles nach Plan. Die Daa’muren waren zufrieden, weil er die Nord- und Ostmänner gegeneinander gehetzt hatte, statt sie damit am Kratersee anzugreifen. Und den Europäern würde er gleich den Beweis präsentieren, dass er es Ernst meinte mit seiner Koalition gegen die Außerirdischen.
Nicht mal diese verdammten Steppenreiter, von denen er nie zuvor etwas gehört hatte, hatten seine Pläne gefährden können.
Er hielt alle Fäden in der Hand.
Nun hieß es nur noch, sich in Geduld zu üben. Zu warten, bis der richtige Zeitpunkt gekommen war.
»General!«, erklang es da aus der Gegensprechanlage. »Die Funkleitung nach London steht! Die Prime möchte Sie persönlich sprechen.«
Crow drückte auf eine weitere Taste, um den Kanal zu öffnen. Die Verbindung war von leichtem Knistern unterlegt, aber ansonsten überraschend klar.
»Meine liebe Mrs. Warrington«, begann er leutselig. »Ich hoffe, Sie melden sich, um sich bei mir zu bedanken!«
»Eigentlich nicht!«, kam es aus dem Lautsprecher. Die Stimme der korpulenten Frau klang belegt. Wahrscheinlich hatte sie heute ihre Pralinen noch nicht bekommen. »Ich melde mich wegen dieser abscheulichen Filmaufnahmen, die Sie uns geschickt haben.«
»Abscheulich?«
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