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134 - Die Entscheidung des Generals

134 - Die Entscheidung des Generals

Titel: 134 - Die Entscheidung des Generals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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verjagt.
    »Vielleicht Ostmänner, vielleicht auch ein Stamm, der in ihrem Auftrag die Gegend auskundschaftet. Auf jeden Fall melden Fudohs Späher in Nipoo, dass ganze Schiffsladungen voller Ostmänner Neu-Baltimore verlassen.«
    Aiko wackelte unentschlossen mit dem Kopf. Eine alte Angewohnheit, die von einer Programmschleife ausgelöst wurde, um ihn nach außen hin normal wirken zu lassen. Er unterdrückte die Bewegung, sobald ihm der Umstand bewusst wurde.
    Warum nur?
    Aus Verärgerung?
    Oder Scham?
    Beides waren Gefühle, die er nicht mehr besaß. Höchstens eine Imitation ihrer selbst, die perfekt genug war, um ihn lange Zeit selbst zu täuschen. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem er bedenkenlos ein Menschenleben geopfert hatte, um ein anderes zu retten.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Crow den Waffenstillstand brechen wird«, sagte er, bevor die Programme, die seine Gefühle imitierten, noch sämtlichen Arbeitsspeicher belegten. »Der Weltrat muss die Daa’muren genauso fürchten wie wir.«
    »Glaubst du wirklich, das hält Arthur Crow auf?«, hielt sein Vater dagegen. »Schon vergessen? Er hat auch meine Enklave dem Erdboden gleich gemacht.«
    »Ja, weil du Attentäter in den Weltratbunker eingeschleust hast und weil er dein technisches Equipment wollte. Außerdem wusste Crow da noch nicht, wie scharf die russischen und europäischen Technos auf seinen Raubzug reagieren würden.«
    Takeo enthielt sich einer Antwort. Reglos sah er auf seinen Sohn herab. Nur die rote Betriebsleuchte, die in seinem Sehschlitz von links nach rechts und wieder zurück lief, bewies, dass noch Leben in ihm steckte.
    Die Sekunden verrannen, ohne dass einer der beiden den Blick vom anderen nahm. Nur Honeybutt, die sich lieber aus dem Streit heraushielt, trat unruhig von einem Bein aufs andere. Sie hatte sich ihre Rückkehr nach Amarillo etwas freundlicher vorgestellt. Zumindest aber hatten Aiko und sie auf dem Hinflug lange reden können, im Pilotensitz des Schwebegleiters aneinander gekuschelt. Reden… und andere Sachen. Ein Lächeln verzog ihre Mundwinkel, als sie daran dachte.
    Aiko rief die aktuelle Uhrzeit in seinem System ab.
    »Es ist kurz vor halb fünf«, fuhr er fort. »Die ISS steht noch über der amerikanischen Ostküste. Ich setze mich umgehend mit Washington in Verbindung, um zu hören, was Präsident Crow zu Fudohs Vorwürfen zu sagen hat.«
    »Was dagegen, wenn ich dem Gespräch beiwohne?«
    »Allerdings«, antwortete Aiko eine Spur schärfer als nötig.
    »Du weißt genau, wie schlecht er seit der Infiltration auf dich zu sprechen ist. Wenn Crow deine Gegenwart bemerkt, würde das die Verhandlungen nur unnötig erschweren. Das muss dir doch dein Großrechner sagen.«
    »Meine Logiksektor bemerkt vor allem, dass du der Enklave gegenüber nicht offen bist« , konterte Takeo. »Sonst würdest du mit dem General nicht ständig im Geheimen konferieren. So viel zu den Gefühlen, von denen du dich angeblich leiten lässt.«
    Ohne seine Vorwürfe näher auszuführen, wandte er sich ab und kehrte ins Kontrollzentrum zurück. Monitorglanz und Ventilatorrauschen empfingen ihn wie einen alten Freund, während Aiko wie vom Donner gerührt zurück blieb. Das Gesicht des Cyborgs rötete sich, weil seine emotionalen Programme den Blutgefäßen meldeten, dass er gerade eine empfindliche Schlappe eingesteckt hatte.
    ***
    Nur fünf Minuten später saßen Aiko und Honeybutt alleine in einem Büro und nahmen über eine abgeschirmte Frequenz Kontakt mit Washington auf. Endlos lang ging der Ruf hinaus, doch als die Verbindung endlich zustande kam, hatten sie es sofort mit Arthur Crow zu tun.
    Das Gesicht des hageren Mannes erschien auf einem kleinen Monitor. Sein kahler Schädel glänzte wie eine blank polierte Billardkugel.
    Aiko konnte es deutlich sehen, obwohl die Bildauflösung zu wünschen übrig ließ. Begleitet von einem monotonen Rauschen, rieselten weiße Punkte über die Mattscheibe. Das Bild verschneite wegen der elektronischen Zerhacker, die das Funksignal auf beiden Seiten ver- und entschlüsselten, sodass sich garantiert kein Außenstehender in das Gespräch einklinken konnte.
    »Was wollen Sie schon wieder, Tsuyoshi?«, blaffte Crow zur Begrüßung. »Diese Frequenz ist nur für Notfälle bestimmt.« Obwohl inzwischen Präsident des Weltrats, trug er immer noch seine mit vier Sternen besetzte Army-Uniform.
    Soldat und Politiker in Personalunion – die Geschichte lehrte, dass sich das nur selten vertrug.
    Wie General Crow

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