134 - Die Entscheidung des Generals
immer kleiner, während sie dem Feind entgegen ritten. Der Weg war bereits genau festgelegt. Captain Tenger brauchte ihm nur mit Karte und Kompass zu folgen.
Missmutig malte er sich die kommenden Tage aus, die er im Sattel verbringen musste, und griff zur Feldflasche, um seinen trockenen Mund zu befeuchten. Ihm zitterten beide Hände, als er den Verschluss wieder aufschraubte.
Er bebte vor Nervosität, aber war das ein Wunder?
Der Countdown lief. Nur noch vier Tage bis zur entscheidenden Schlacht, in der sich Himmel und Erde rot färben würden.
***
Amarillo, Tower des Medical Science Center
Sie parkten den Gleiter in der Wartungshalle und fuhren in den achten Stock empor. Das dort gelegene Kontrollzentrum war mit Elektronik aus der Enklave, aber auch aus Miki Takeos Beständen vollgestopft. Mehr als die Hälfte der Etage bestand aus Räumen, in denen optische und akustische Übertragungen ausgewertet und die Routen der autonomen Protektoren koordiniert wurden.
In einem Radius von zwanzig Kilometern rund um die Ruinenstadt wurde alles lückenlos überwacht. Nicht mal eine Ratze gelangte nach Amarillo, ohne von Bewegungssensoren oder Kameras erfasst zu werden. Trotzdem war die Gefahr der Infiltration durch Sabotage- und Spionagetrupps des Weltrats allgegenwärtig.
Gepanzerte Ranger-Einheiten der WCA beherrschten große Teile der Ostküste, und niemand vermochte mit Sicherheit auszuschließen, dass sie ihren Machtbereich nicht doch irgendwann Richtung Enklave auszuweiten versuchten. Crow hatte schon einmal versucht, die Cyborgs auszulöschen. Und dabei ebenfalls aus dem Hinterhalt zugeschlagen.
Miki Takeo erwartete Aiko und Honeybutt Hardy bereits.
Sein großer, wuchtiger Maschinenkörper füllte die Breite des Ganges komplett aus. Die Beine, die Arme, der Kopf – alles an ihm bestand aus dunkelblauem, zum Teil verschrammten Plysterox. Im Gegensatz zu den Cyborgs, unter denen er lebte, besaß er keinerlei menschliche Organe mehr. Nur die Gehirnwellenmuster seines Massenspeichers entsprachen noch dem Mann, der er einmal gewesen war.
»Hast du den Kerl aufgespürt?«, fragte der Androide, nachdem er Honeybutt begrüßt hatte, mit der ihm eigenen, emotionslosen Stimme.
»Falscher Alarm«, entgegnete Aiko. »War nur ein harmloser Typ. Viel zu versoffen und triebgesteuert, um zu spionieren. Crow mag ein Schweinehund sein, aber er ist nicht blöd. Ein solcher Spitzel würde ihm mehr schaden als nutzen.«
Miki Takeo stand einfach nur da. Völlig reglos, wie es nur Maschinen können. Beide Beine ein wenig gespreizt, um das Gewicht besser zu verteilen, die Arme leicht angewinkelt, als wollte er sie gleich in die Hüfte stemmen. Lediglich sein Kinn sank einen Zentimeter herab, damit seine optischen Sensoren Aiko wieder besser erfassen konnten.
»Bist du einfach nur sorglos«, fragte er, »oder weißt du etwas über Crows Strategien, von dem sonst niemand etwas ahnt?«
Der gleich bleibenden Stimmmodulation war nicht anzuhören, ob er einen Scherz versuchte oder es todernst meinte. Das war zweifellos Teil einer Taktik, deshalb ließ sich Aiko auch nicht die geringste Reaktion anmerken.
»Ich verlasse mich einfach auf mein Gefühl«, gab er kühl zurück. »Eine Sache, die du natürlich nicht nachvollziehen kannst.«
Sein Vater nahm die Anspielung wortlos hin, vermutlich, weil seine Logikroutinen anzeigten, dass ein persönlicher Streit nur Zeit kostete.
»Dein Gefühl, soso.« Er fuhr die Tonlage ein wenig in die Höhe und versuchte sich tatsächlich in einer Imitation von Sarkasmus. »Das klingt ja wirklich nach einer vorausschauenden und verantwortungsbewussten Handlungsweise. Am besten übermittelst du deine positiven Schwingungen gleich mal General Fudoh, die werden ihn sicher beruhigen.«
»Fudoh und beunruhigt?« Aiko spürte ein Kribbeln im Nacken. Vermutlich ein Reflex aus der Zeit, als er noch ein biologisches Gehirn besessen hatte. »Was soll das heißen?«
»Unser mürrischer General mit der Eisenmaske hat sich vor einer halben Stunde via ISS-Funk gemeldet«, erklärte Takeo.
»Wie es scheint, haben seine Truppen in letzter Zeit verstärkt mit Barbaren zu tun, die die Gegend nördlich von El’ay unsicher machen. Er hält sie für Späher eines größeren Kontingents, das womöglich die Stadt ausräuchern will.«
»Ostmänner?«, fragte Aiko, denn die vom Weltrat gezüchteten Mutanten, die im ehemaligen Kamtschatka stationiert waren, hatten die Japaner bereits aus ihrer angestammten Heimat
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