1343 - Manons Feuerhölle
gab.
»Nein!«, keifte sie. »Verschwinde! Es ist der Kampf. Heute weiß ich, wer die Oberhand behält. Der Teufel oder Uriel!«
Dem Klang der Stimme nach hätte es durchaus der Teufel sein können, doch so weit wollte ich nicht denken. Ich besaß immer noch das Kreuz, und auf ihm hatte auch der Feuerengel Uriel sein Zeichen hinterlassen. Ob ich auf ihn setzen konnte, wusste ich nicht. Er gehörte innerhalb der Engel zu denen, die gern eigene Wege gingen.
Ich hielt das Kreuz so, dass Manon das untere Ende sehen musste und damit auch Uriels Zeichen.
»Schau es dir an! Schaue es dir genau an! Das ist dein Retter, Manon! Komm her!«
Ich gab ihr die Chance, aber sie nutzte sie nicht. Manon traute sich nicht, auf mich zuzugehen. Sie blieb und wich sogar zurück, als ich die Distanz zwischen uns verkürzen wollte.
Das sah alles verdammt schlecht aus. Allmählich kam mir der Gedanke, dass der Teufel hier nicht nur seine Hand mit ihm Spiel hatte, nein, es war ihm wohl gelungen, einen Sieg zu erringen, denn Uriel griff meiner Meinung nach nicht ein.
Ich musste sie also holen. Ich würde mit dem Kreuz an sie herankommen müssen, es eventuell aktivieren, um sie so von der anderen Kraft zu befreien. Und ich durfte mich auch nicht von den Flammen abschrecken lassen, obwohl mir das Schicksal des anderen Fahrgastes noch dicht vor Augen stand.
Wieder bewegte ich mich um einen Schritt vor.
Im gleichen Augenblick wurde der Zug langsamer. Wer stand, so wie ich, bekam es mit. Ich spürte den Ruck, der mich etwas nach hinten schob und zugleich zur Seite drückte.
Das passierte auch mit Manon, nur war es ihr egal. Sie hatte sich schnell wieder gefangen und schwebte, eingehüllt in ihrem Feuermantel, wieder zurück. So blieb die Entfernung zwischen uns gleich.
Die Dunkelheit an den Seiten verschwand. Wir rollten hinein in die typisch milchige Helligkeit der Station. Bei einem kurzen Blick sah ich die Menschen auf dem Bahnsteig stehen, die noch nichts ahnten.
Ich wollte Manon nicht entkommen lassen. Alles auf eine Karte setzen, zu ihr laufen, sie packen und…
Der Zug stoppte.
Entweder war der Fahrer neu oder er wollte die Fahrgäste ärgern. Mehrere kurze Rucke hintereinander erwischten mich und brachten mich aus dem Konzept.
Auch bei Manon war das der Fall. Nur hatte sie sich festgehalten und drehte sich um die Stange.
Und dann öffneten sich die Türen!
Manon stand näher am Ausgang als ich. Sie hetzte hinaus. Zuerst geschah nichts. Es dauerte auch seine Zeit, bis die Menschen erfassten, was hier ablief. Dann aber spritzten sie auseinander, und die ersten Schreie gellten auf.
Manon war praktisch aus dem Zug gefallen. Die Fahrgäste an der Tür hatten nicht so schnell zurückweichen können. So war sie gegen zwei Männer gefallen, und die verdammten Flammen hatten einen von ihnen erwischt. Sie waren mehr als gierig. Man konnte sie schon als gefräßig bezeichnen. Der Mantel des Mannes begann zu brennen, und mir taumelte der Passagier entgegen, als ich den Wagen verließ.
Ich sah noch sein entsetztes Gesicht und schrie ihm zu, dass er den Mantel ausziehen sollte. Ob er es begriff, wusste ich nicht und hoffte auch, dass ihm andere Menschen halfen.
Manon Lacre war weiterhin die wichtigste Person für mich. Sie wollte, musste ich haben.
Ich schaute nach rechts.
Genau dort lief sie her. Sie rannte am Bahnsteig entlang. Wenn sie so weiterlief, würde sie bald die Tunnelröhre erreicht haben und in ihr verschwinden.
Die Panik auf der Station war nur gering. Noch zu stark steckte der Schreck in den Gliedern der Menschen.
Auf den Stationen gibt es Männer und Frauen, die Uniformen tragen und für Ordnung sorgen sollten. Trotz Video-Überwachung waren sie nicht wegzudenken, und sie konnten auch schneller an den Orten bestimmter Ereignisse sein.
An dieser Station war es ebenfalls so. Ein Mann und eine Frau taten Dienst. Ich hatte sie beim Aussteigen nicht gesehen, aber sie hatten von ihrem Standort aus alles beobachten können und hatten auch die brennende Frau erlebt.
Sie taten, was sie tun mussten. Dass sie dabei ihre Angst überwinden mussten, lag auf der Hand. Sie hatten auch zuerst gezögert, weil dieses Bild für sie einfach unglaublich war. Und sie hatten zum zweiten Mal hingeschaut und sahen nun, dass es tatsächlich einen Grund gab, um einzugreifen.
Von der Seite her rannten sie der brennenden Frau entgegen. Sie schrien dabei, um sie zu einem Stopp zu veranlassen.
Daran dachte Manon jedoch nicht. Sie rannte
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