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Wer schlafende Hunde weckt

Wer schlafende Hunde weckt

Titel: Wer schlafende Hunde weckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Brookmyre
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Die Einsamkeit und der Schrei
    Es wirkte überhaupt nicht wie Glasgow.
    Die Luft war schwül, obwohl am klaren Himmel kein Wölkchen den Mond und die Sterne verdeckte. Überhaupt nicht wie letzte Nacht, als die Wolken sich spät über den sonnigen Tag geschoben hatten wie ein Deckel über eine Pfanne, der die Hitze erhielt und heißes Blut simmern ließ. Schon morgens um neun war es draußen auf der Straße warm gewesen, und jetzt nach elf Uhr schien jedes einzelne Luftmolekül trunken und müde. Wenn die klare Nacht keine Abkühlung brachte, würde mit den nächsten Wolken ein Gewitter kommen.
    Im Wagen hatte man kaum Luft bekommen; der Geruch von Schweiß und Aftershave kämpfte mit dem von Urin und Blut. Als Wullie die Füße auf den unkrautüberwucherten Kiesboden des Steinbruchs setzte, die hufeisenförmigen Abbruchkanten wie ein Amphitheater, erhoffte er sich eine kühle Brise, aber der Temperaturunterschied war kaum wahrnehmbar. Nur die Gerüche waren anders. Etwas Süßes lag in der Luft, der Duft der Bäume, den man bei Regen nicht wahrnahm, dazu der Geruch nach Holzkohle und Fleisch von den tausend Grills unten in der Stadt, warmer Rauch, warme Aromen, getragen von warmer Luft.
    Nein, es wirkte ganz und gar nicht wie Glasgow. Bis auf den Kerl, der brutal zusammengetreten im Wagen lag. Derwar ein authentischer Teil der Stadt wie Haggis und Lungenkrebs.
    Jai wehrte sich nicht, als sie ihn nach draußen zerrten. Jeglichen Widerstand hatten sie schon lange aus ihm herausgeprügelt. Zusammengesackt wie ein Haufen Dreckwäsche saß er auf dem Boden, ein deformiertes, blutverschmiertes Etwas. Er zitterte vor Schock und Angst, was unpassenderweise so aussah, als würde er frieren. Wenn an dem Abend überhaupt jemandem kalt sein konnte, dann ihm; kalt vor Angst, kalt in seiner Isolation, der einsamste Mann von Glasgow. Er wusste, dass er allein war, und vor allem auch, was ihn erwartete, weil er es in der Vergangenheit selbst allzu oft erledigt hatte.
    Man rechnet nie damit, dass man irgendwann selbst dran ist, schon gar nicht, wenn man es zu etwas gebracht hat. Gutes Geld, dicker Wagen, schicke Klamotten, Leute, die ängstlich den Blick abwenden, und andere, die einem bei jeder Gelegenheit in den Arsch kriechen. Wenn man dann noch ein paarmal freigesprochen wird, weil keiner etwas sagt oder irgendein Untergebener für einen in den Knast geht, hält man sich schnell für unantastbar. Und dann wird man gierig, dann wird man unvorsichtig. Dann glaubt man, man kann es mit den Großen aufnehmen, weil man jung und hartnäckig ist, und vergisst dabei, dass viele einmal jung und hartnäckig waren; man vergisst, dass die Großen es aus gutem Grund nach ganz oben geschafft haben – und dort geblieben sind.
    Jai versuchte nicht aufzustehen, wahrscheinlich, weil das als Fluchtversuch oder Widerstand betrachtet werden könnte, vielleicht aber auch nur, weil er es nicht konnte. Er vermied jeden Blickkontakt, ließ die Augen aber immer noch streifen und kontrollierte die Position der Männer. Sie standen in einem Dreieck um ihn herum, Big Fall stieg gerade aus dem Wagen und machte ein Quadrat daraus.
    Die Ankunft eines fünften Mannes würde alle seine Fragen beantworten. Jai war schon jetzt gebrochen und besiegt, doch erst nach dem Auftritt des selbst ernannten Paten von Gallowhaugh würde er sich der absoluten Aussichtslosigkeit seiner Lage bewusst werden.
    Der fuhr gerade vor. Er war dem Wagen der anderen im notwendigen Sicherheitsabstand gefolgt, aber jetzt, als er da war, ließ er sich absichtlich Zeit und ließ den Gefangenen warten. Ließ alle warten. Wichser. Wenn Wee Sacks noch ein bisschen aufgeblasener wäre, würde er platzen.
    Er schlug die Tür seines dicken BMW lautstark zu, um dem Gefangenen klarzumachen, dass hier mehr los war, als er bisher gedacht hatte. Soweit man überhaupt denken kann, wenn man gerade hinten im Wagen von drei Typen halb totgeprügelt wird. Dann ging er langsam den Umweg hinter dem Wagen entlang, um das arme Schwein noch ein bisschen länger auf die Folter zu spannen, das da zitternd im Dreck lag.
    Wullie hatte ihn schon immer gehasst. Pate von Gallowhaugh? Der alte Sack. Okay, er war zwar nur so um die vierzig, aber er trug immer viel zu jugendliche Klamotten, was ihn seltsamerweise noch älter wirken ließ als sein vernarbtes, verlebtes Gesicht; ein Gesicht, auf das man stundenlang eintreten könnte.
    Wullie konnte es kaum fassen, dass er dort stand und nach der Pfeife des arroganten

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